Heisskalte Glut
Ich rufe dich später noch einmal an.«
»Nein!« schrie Faith Richtung Telefon, als er auflegte und der
Anrufbeantworter sich ausklinkte.
Erst eine Stunde später wurde ihr so richtig bewußt, welche Chance
sich ihr bot. Gray war in New Orleans. Sie war nicht allzu erpicht darauf, noch
einmal zum Sommerhaus zu gehen. Wenn sie jedoch jetzt ginge, dann würde sie von
niemandem entdeckt werden. Dies war vielleicht die beste Gelegenheit, die sich
ihr jemals bieten würde. Und sie mußte noch nicht einmal durch den Wald laufen.
Wenn sie das Fenster zertrümmerte, würde Gray sofort sie
verdächtigen, da er sie schon in der vergangenen Nacht um das Bootshaus hatte
schleichen sehen. Außerdem würde es schwie rig
werden, ohne Leiter durch das Fenster einzusteigen, und eine Leiter hatte sie
nicht. Aber jetzt war es heller Tag, und sie war eine gute Schwimmerin. Was
gestern nacht undenkbar gewesen war, erschien in der grellen Morgensonne
durchaus machbar.
Das Telefon klingelte wieder, als sie im Begriff war, mit allen
möglichen Dingen beladen, ihr Haus zu verlassen. Da diese Art von Abenteuer in
ihrem Leben nicht alle Tage vorkam, mußte sie sich behelfen. Sie hatte ihren
alten Badeanzug an, darüber einen Rock und eine Bluse. In einer Tüte lagen zwei
Handtücher und eine Taschenlampe, die sie vielleicht zum Ausleuchten der Ecken
benötigen würde. Die Taschenlampe war nicht wasserdicht, deshalb steckte sie
in einer mit Plastikreißverschluß verschlossenen Plastiktüte. Zu ihrer
Sicherheit hatte sie auch das größte Küchenmesser ihres Haushalts mitgenommen.
Sie wußte nicht, ob sie es brauchen würde. Sie konnte nur hoffen, daß sie einer
aufgebrachten Schlange nicht so nahe kam, daß sie damit zustoßen mußte. Aber es
dabei zu haben gab ihr ein Gefühl der Sicherheit.
Auf dem Weg zum Sommerhaus war sie fast fröhlicher Stimmung.
Schon zweimal hatte sie versucht, den Ort zu erkunden, und zweimal hatte Gray
sie abgefangen. Das dritte Mal würde sie Glück haben. Als sie den See
erreichte, konnte sie die Erinnerungen an das, was auf der Veranda geschehen
war, nicht vollkommen beiseite drängen. Wie sollte sie auch, wo sie doch jeden
Schritt zwischen ihren Beinen spürte? Gleichzeitig verspürte sie auch das
leise Pulsieren ihres Verlangens, und sie haßte sich selbst dafür.
Eilig zog sie sich aus. Sie klopfte an die Tür des Bootshauses, um
eventuelle Bewohner zu warnen, hörte jedoch keinerlei Scharren oder Geräusche
von Tieren, die ins Wasser flohen. Vielleicht war es ja tatsächlich ganz leer.
Trotzdem pochte sie nochmals an die Tür und rasselte zur Sicherheit an der
Kette. Zufrieden, daß sie alles in ihrer Macht stehende erledigt hatte, lief
sie auf den Steg hinaus, bis sie auf gleicher Höhe mit der Tür des Bootshauses
stand, die zum See hinausführte.
Gray und Monica und deren Freunde waren hier
an dieser Stelle oft im Sommer schwimmen gewesen. Faith hatte sich selbst
mehrere Male ins Wasser gewagt, allerdings nur dann, wenn sonst niemand zu
sehen gewesen war. Sie hatte keine Angst, alleine schwimmen zu gehen, denn sie
wußte, wie tief es um den Steg herum war. Sie umklammerte die in Plastik verpackte
Taschenlampe und hechtete flach ins Wasser. Keuchend vor Kälte kam sie wieder
hervor. Im Juli und im August würde der See angenehm warm sein, aber Ende Mai
hatte er noch fast winterlich kalte Temperaturen. Sie schwamm zügig hin und her
und gewöhnte sich sowohl an das Wasser als auch an ihr Vorhaben. Schon nach
kurzer Zeit erschien es ihr nicht mehr ganz so kalt.
Unter dem Bootshaus würde es dunkel sein. Durch das Plastik
hindurch stellte sie die Taschenlampe an, dann gönnte sie sich keine weitere
Ablenkung. Sie atmete tief ein und tauchte unter der Türkante hindurch.
Die Sicht war trotz der Taschenlampe nicht
gerade gut, und unter der Tür war es sehr dunkel. Über ihr erkannte sie ein
lichtes Dreieck, das Gott sei Dank nicht von dem Boot verstellt war. Sonst wäre
es noch ungewisser gewesen, wo sie aus dem Wasser herauskam. Faith schwamm auf
das Licht zu und tauchte an die Oberfläche. Sie streckte sich haltesuchend
nach der Bootswand aus und legte die Taschenlampe ab. Erst als sie ihr Haar aus
dem Gesicht gestrichen hatte, konnte sie ihre Umgebung klar erkennen.
Das Innere des Bootshauses war schlecht
beleuchtet und fast leer. Sie zog sich aus dem Wasser, schaute sich um und
gewöhnte ihre Augen an das schummrige Licht. Früher war das Bootshaus voller
Luftmatratzen und Schwimmwesten gewesen,
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