Heisskalte Glut
er sich und errötete. Er zog sein
Taschentuch hervor und wischte sich die Tränen ab. »Ich weiß gar nicht, was in
mich gefahren ist. Sie sind meine Klientin, und ich weine mich an Ihrer
Schulter aus.«
»Ich habe auch Menschen verloren, die ich liebte«, erwiderte sie
und dachte an Scottie und Kyle. »Manchmal hilft es einem, darüber zu sprechen.«
»Das stimmt zwar, aber es war doch nicht
richtig von mir. Meine einzige Entschuldigung ist die, daß Sie eine große Warmherzigkeit
ausstrahlen, meine Liebe.« Als er merkte, daß er ein Kosewort benutzt hatte,
errötete er nochmals. »Nun denn! Vielleicht sollte ich Sie lieber fragen, was
Sie zu mir geführt hat.«
»Es geht um einen Mann, der vor zwölf Jahren verschwunden ist«,
sagte sie. »Ich möchte gerne herausfinden, ob er noch am Leben ist.«
Er nahm einen Kuli und notierte etwas auf einem Block. »Ihr Vater?
Ihr Freund?«
»Weder noch. Er war der Liebhaber meiner
Mutter.«
Pleasant blickte zu ihr auf, schien aber nicht überrascht. In
seinem Geschäftszweig hatte man sicherlich schon ganz andere Dinge von ihm
gefordert. Es war der Sache auf jeden Fall dienlich, wenn er so viele Details
wie möglich erfuhr und nicht nur Guys Alter, seinen Namen, seine Beschreibung. Sie erzählte ihm
also alles, was vor zwölf Jahren geschehen war und warum sie herausfinden
wollte, ob Guy noch lebte.
»Ich muß Ihnen gestehen, meiner Meinung nach ist er tot«, sagte
sie. »Vielleicht sehe ich Gespenster, aber ich glaube, daß ihn jemand
umgebracht hat.«
Der Detektiv legte den Kuli sorgfältig zwischen zwei blauen Linien
auf den Block zurück. »Ist Ihnen bewußt, Mrs. Hardy, daß nach all dem, was Sie
mir erzählt haben, Ihre Mutter möglicherweise beteiligt ist? Daß sie in
derselben Nacht verschwunden ist ... nun, Sie wissen, wie das aussieht.«
»Ja, das weiß ich. Ich glaube jedoch nicht, daß sie ihn allein
hätte umbringen können.« Mit einem schmalen Lächeln fuhr sie fort: »Außerdem
würde meine Mutter niemals die Henne umbringen, die die goldenen Eier legt.«
»Aber Sie nehmen an, daß sie weiß, was
passiert ist.«
Faith nickte. »Ich habe versucht, mit ihr darüber zu reden. Aber
sie wollte nicht.«
»Ich gehe davon aus, daß es keinerlei Beweise gibt, die man der
Polizei melden müßte?«
»Keine. Ihre Aufgabe sollte nicht sein, den Mörder Guys zu finden,
sondern lediglich herauszufinden, ob er noch am Leben ist oder nicht. Es gibt
schließlich noch die verschwindend unwahrscheinliche Möglichkeit, daß er
wirklich einfach allem den Rücken gekehrt hat.«
»Sehr unwahrscheinlich«, erwiderte er
trocken. »Aber ich muß zugeben, daß schon merkwürdigere Dinge vorgefallen sind.
Wenn sich in den Akten irgend etwas verbirgt, so werde ich es finden. Hätte er
sich dem Gesetz entziehen wollen, dann hätte er seinen Namen geändert. Aber für
ihn gab es keinen Grund, seine Identität zu verschleiern. Es sollte nicht
schwierig sein herauszufinden, ob er jemals wieder irgendwo aufgetaucht ist.«
»Vielen Dank, Mr. Pleasant.« Faith zog eine
Visitenkarte heraus und überreichte sie ihm. »Hier ist meine Nummer. Rufen Sie
mich an, wenn Sie etwas in Erfahrung gebracht haben.«
Glücklich mit ihrer Wahl, verließ sie das
Büro. Sie hatte ihn zunächst telefonisch kontaktiert, sein Honorar erfragt und
dann einen Termin gemacht. Dann hatte sie seine Referenzen geprüft und war sehr
zufrieden gewesen. Mr. Pleasant wurde von seinen Kunden als sowohl ehrlich als
auch kompetent bezeichnet, die Art von Mensch, der man sich augenblicklich
anvertraut. Wenn Guy noch am Leben war, dann würde Mr. Pleasant ihn finden.
Sie blickte auf ihre Uhr. Sie hatte Prescott
bereits sehr früh verlassen und war nach New Orleans gefahren, um den Termin
mit dem Detektiv wahrzunehmen. Der aber war kürzer als erwartet ausgefallen.
Margot war in der Stadt, und Faith hatte sich mit ihr zum Mittagessen im
bekannten »Court of Two Sisters« verabredet. Davor jedoch hatte sie noch
reichlich Zeit. Also fuhr sie in ihr Hotel zurück, ließ den Wagen dort stehen
und machte einen Schaufensterbummel.
Es war brütend heiß, als sie durch die schmalen Straßen des
französischen Viertels lief. Sie wechselte auf die schattige Straßenseite.
Durch ihre Filiale hatte sie oft in New Orleans zu tun, hatte sich jedoch
niemals die Zeit genommen, dieses alte Viertel zu erkunden. Pferdekutschen
bewegten sich langsam durch die Straßen, während der Kutscher den in der
Kutsche sitzenden Touristen
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