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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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Kühlschrank, Mikrowelle und ein Arsenal an Hausratsutensilien, das die Küche komplettiert - bis hin zum Salzstreuer. Jetzt könnte ich mal so richtig kochen ... Doch ich nutze nur den Kühlschrank, lege das Frühstück hinein, kühle die Melone fürs Abendessen und temperiere eine Flasche Rosé. Nach einem Bad im Fluss sitze ich wie ein echter Camper auf einem Klappstuhl vor dem Zelt und genieße die untergehende Sonne. Der Sonnenuntergang über der Saône hat die gleiche Farbe wie der Wein in meinem Glas.

In Esbarres gibt es nicht nur Essbares, sondern auch Trinkbares

    Fuß? Abbruchbefürchtungen? Vergessen. Alles vergeht, auch der Schmerz. Bei Sonnenschein verlasse ich das hübsche Städtchen Saint-Jean-de-Losne. Bald erreiche ich einen Ort, wie ich mir einen Ort in Frankreich vorstelle: Esbarres. Der Platz an der Kirche, mit Bäumen beschattet, lädt ein zum Spiel mit den Pétanque-Kugeln. Vor einem Eckhaus stehen Stühle und Tische. Am Haus selbst steht angeschrieben „Bar, Tabac, Épicerie, Fromagerie“. Wenn das nichts ist! In Esbarres gibt es nicht nur Essbares, sondern auch Trinkbares. Ich kaufe Schinken, Käse, Brot, Tomaten. Und ein Glas Wein. Der Wirt, im Elsass geboren, spricht deutsch. „Wenn Sie im Elsass sind, fragen Sie nicht ,Sprechen Sie deutsch?’ Die Leute trauen sich nicht, das zu bejahen, die können es nicht richtig. Fragen Sie: ,Schwätze Sie Elsässer-Dütsch?’ Alle werden sich bemühen.“ Er schenkt noch einmal Wein nach, gratis, und zum Abschied ein Croissant. Einen Passanten frage ich nach der Postleitzahl des Ortes, dem Wirt werde ich eine Karte aus Santiago senden. Ich bin in Stimmung. Bin ich alleine, singe ich manchmal ein Lied vor mich hin. Oder bin ich allein, weil ich singe? Mit Hannes Wader ziehe ich weiter: „Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort, hab mich niemals deswegen beklagt, hab es selbst so gewählt. Dass man mich kaum vermisst, schon nach Tagen vergisst, wenn ich längst wieder anderswo bin, stört und kümmert mich nicht.“ Labruyère durchschreite ich ohne besondere Vorkommnisse.
    Ich erinnere mich an manche Wanderung meiner Kindheit. Die Mitglieder im Wanderverein waren keine Kinder von Traurigkeit und die Einkehr wichtig. Während des Laufens spielten die Musikanten auf. Gitarre, Geige und Mandoline waren die Instrumente. Der Geiger fiel einmal während seiner Geigerei in den Graben. An die Lieder kann ich mich nicht erinnern - bis auf eines. Da gab es nämlich Streit. Das hat mir als Kind gefallen. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt, dem will er seine Wunder weisen in Berg und Wald und Strom und Feld.“ Damals fügte einer an: „Und dem gibt er noch e Blutworscht mit.“ Das war der Anlass für den Krach. Wahrscheinlich wurde der Zusatz als lästerlich eingestuft. Doch die Ergänzung ist aus meiner Sicht richtig und wichtig. Was ist Wandern ohne Brotzeit? Ach, hätte ich jetzt Blutwurst hier - und Apfelwein aus Geiselbach!
    In Seurre verzehre ich zum Stangenweißbrot einen köstlichen Ziegenkäse mit blauer Schimmelrinde und trinke dazu einen recht ordentlichen Tafelwein. Kein großer Burgunder, aber er schmeckt mir großartig.

Reichtum und Armut hängen irgendwie zusammen

    Am Ortsausgang von Seurre verlangt das Automobilaufkommen mir einiges an Konzentration ab, doch auf einem Feldweg erreiche ich ganz gemütlich Labergement-lès-Seurre.
    Hier wechsele ich auf die Nationalstraße. Bei wenig Verkehr komme ich auf dem breiten Randstreifen sicher und zielstrebig voran. Das Lädchen in Corberon hat geöffnet, ich verlasse es mit Brot und Salami. Um die Ecke finde ich ein ruhiges Plätzchen zum Picknick. Im Rucksack warten Reste von Ziegenkäse und Wein auf ihren letzten großen Auftritt. Pilgerglück. Doch es liegen noch viele, viele endlos erscheinende Kilometer bis zu meinem Tagesziel vor mir. Die Nationalstraße zieht sich brutal in die Länge, sie scheint nicht aufhören zu wollen. Die Straße, kerzengerade und schattenlos, dehnt sie sich aus bis in die Unendlichkeit?
    Endlich kann ich abbiegen nach Ruffey-lès-Beaunne. Doch noch lange ist mein Wanderweg auf der geteerten Straße nicht zu Ende. Mein Tagesziel scheint greifbar nahe am Horizont, doch es stellt sich als Gewerbegebiet weit vor der Stadt heraus.
    Hätte ich doch nur auf meinen Pilgerführer gehört - der empfiehlt die offizielle Streckenführung weiter nördlich über die Abbaye de Cîteaux, der Mutterabtei der Zisterzienser, bis hin

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