Held von Garathorm
Stein, wo normalerweise die eiserne Spitze sein sollte.
Ohne darüber nachzudenken, suchte sie nach dem Edelsteinknopf etwa in Schaftmitte. Sie wußte, daß, wenn sie ihn drückte, eine Flamme aus dem Rubinende der Lanze schösse. Philosophisch zuckte sie die Schultern. Sie war froh, eine Waffe zu haben, die ebenso wirkungsvoll zu sein schien wie so manche, über die Ymryls Krieger verfügten. Sie bemerkte, daß Katinka van Bak eine gleiche Waffe hatte, während Jhary-a-Conels mehr üblicher Art waren, nämlich eine ganz normale Lanze, ein Schild und ein Schwert.
„Was ist mit diesen Göttern, in die Ymryl offenbar sein ganzes Vertrauen setzt?" fragte Katinka van Bak Jhary, als sie in den gigantischen Wald ritten. „Gibt es sie wirklich?"
„Es gab sie einst - oder wird sie geben. Ich nehme an, daß sie ins Dasein gerufen werden, wenn die Menschen fest genug an sie glauben. Aber ich kann mich natürlich auch täuschen. Doch seid versichert, Katinka van Bak, daß sie, wenn sie existieren, ungemein mächtig sind."
Katinka van Bak nickte. „Aber weshalb helfen sie dann Ymryl nicht?"
„Es wäre möglich, daß sie es tun, ohne daß Ymryl es merkt", gab Jhary zu bedenken. Er atmete tief die frische, süßliche Luft ein. Bewundernd betrachtete er die riesigen Blüten, die verschiedenen Grün- und Brauntöne der Bäume. „Doch oft sind diese Götter nicht in der Lage, persönlich menschliche Welten zu betreten. Sie müssen deshalb durch Mittelsmänner wie Ymryl handeln. Nur ein mächtiger Zauberer könnte Arioch eine Tür öffnen, glaube ich."
„Und dieser Lord des Dunklen Imperiums -dieser Baron Kalan - hat nicht die nötigen Fähigkeiten dazu?"
„Seine Fähigkeiten wären zweifellos ausreichend - in seiner eigenen Dimension. Aber wenn er nicht an Arioch glaubt, kann er Ymryl nicht helfen. Zum Glück für uns."
„Der Gedanke an noch mächtigere Kreaturen als Ymryl und seine Meute, mit der er Garathorm eroberte, ist nicht sehr angenehm", murmelte Ilian. Obgleich die merkwürdigen Halberinnerungen, die ihr von Zeit zu Zeit durch den Kopf huschten, sie nicht störten, war ihre Stimmung doch immer düsterer geworden, seit sie sich an ihren Verrat an ihrem Bruder Bradne erinnert hatte. Sie hatte seine Leiche selbst nicht gesehen, aber gehört, daß nicht viel davon übrig war, als Ymryls Schlächter sie zur Stadt zurückbrachten. Denn kurz zuvor, noch ehe Ymryl sich an Ilians Grauen erfreuen konnte, hatte Katinka van Bak sie aus dem Kerker geholt.
Ymryl hatte sich ausgemalt, was folgen würde. Sie wäre so voll Abscheu vor sich selbst gewesen, daß sie alles getan hätte, was er von ihr verlangte. Sie wußte, sie hätte sich ihm schon fast voll Dankbarkeit ergeben, nur um ihre schreckliche Schuld zu sühnen. Sie stieß pfeifend den Atem aus, als sie sich ihrer Gefühle erinnerte. Nun, zumindest hatte sie Ymryl diese Genugtuung versagt.
Geringer Trost, dachte sie zynisch. Aber sie hätte sich keineswegs besser gefühlt, wenn sie mit Ymryl das Bett hätte teilen müssen. Es hätte ihr Schuldgefühl nicht gemindert, sondern lediglich ihre Hysterie zu diesem Zeitpunkt noch erhöht. Nie würde sie ihr eigenes Gewissen beruhigen können, auch wenn keiner ihrer Freunde ihr die Schuld für das Geschehene gab. Aber zumindest konnte sie aus ihrem Haß das Beste machen. Sie war entschlossen, Ymryl und alle seine Kumpane zu vernichten, obgleich sie sicher war, daß das zu ihrem eigenen Untergang führen würde. Aber genau das war es, was sie bezweckte. Keinesfalls würde sie sterben, ehe nicht Ymryl geschlagen und tot war!
„Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß Eure Landsleute sich uns nicht zeigen werden", gab Katinka van Bak zu bedenken. „Die, die Ymryl nicht bekämpfen, sind vorsichtig geworden, und befürchten Verrat von jeder Seite."
„Und vor allem von mir", murmelte Ilian bitter.
„Sie wissen vielleicht gar nichts von Eures Bruders Gefangennahme und Ermordung", meinte Jhary. „Oder zumindest nicht von den Umständen, die dazu führten." Aber seine Worte klangen selbst in seinen eigenen Ohren nicht sehr überzeugend.
„Ymryl wird dafür gesorgt haben, daß jeder Eures Volkes erfuhr, was Ihr getan habt", widersprach Katinka van Bak Jhary. „Das würde jedenfalls ich an seiner Stelle tun. Und Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß er die Tatsachen so auslegte, wie es am besten in seinen Kram paßte. Nachdem die letzte Angehörige des Königshauses sich als Verräterin erwiesen hat, wird der
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