Held von Garathorm
lebte zur gleichen Zeit, ja nicht einmal auf der gleichen Ebene. Das ist es, was mich so verwirrt. Jedes Geschöpf, ob nun menschlich oder nichtmenschlich, wie du, kam zu genau dem gleichen Zeitpunkt hier an und aus einer anderen Welt. Es kann nur das Werk Ariochs sein oder irgendeines anderen mächtigen Chaoslords, denn wir alle -oder nahezu alle - sind Diener dieser Herrscher der Entropie. Und trotzdem unterrichtet uns Arioch nicht von seinen Gründen, uns hierherzubringen."
„Es könnte doch sein, daß er gar keine hat, Herr."
Ymryl schnaubte abfällig. Ohne es wirklich böse zu meinen, gab er Garko einen Klaps. „Arioch tut nichts grundlos. Aber er ist gut zu jenen, die ihm dienen, ohne Fragen zu stellen - so wie ich ihm viele Jahre in meiner eigenen Welt diente. Ich dachte zuerst, meine Versetzung hierher wäre eine Belohnung."
Ymryl nahm seinen Kelch, füllte ihn erneut und trat damit ans Fenster, durch das er auf die eroberte Stadt blickte. Dann legte er den gelbhaarigen Kopf ein wenig zurück und trank den Wein in einem Schluck. „Mir ist entsetzlich langweilig. Ich dachte, jene, die die westlichen Provinzen besetzten, würden bald Lust nach mehr Macht und Plündergut verspüren und versuchen, uns anzugreifen. Doch nun scheint mir, als seien sie nicht weniger vorsichtig als ich. Sie möchten nicht Ariochs Grimm auf sich lenken, indem sie über die anderen herfallen. Ich ändere langsam meine Meinung, was das betrifft. Ich glaube allmählich, daß Arioch eben gerade erwartet, daß wir gegeneinander kämpfen. Er möchte feststellen, wer der Stärkste ist. Das mag der Grund sein, weshalb er uns alle hierherversetzte. Eine Probe, verstehst du, Garko?"
„Eine Probe. Ja, ich verstehe, Herr."
Ymryl schnüffelte. „Ruf den Zauberer. Ich möchte mich mit ihm beraten. Vielleicht kann er mir helfen, zu verstehen, was zu tun ist."
Garko watschelte rückwärts aus dem Gemach. „Ich werde ihn rufen, Herr."
Die kleine schwarzweiße Katze beobachtete Ymryl, der mit zusammengezogenen Brauen überlegend im Zimmer hin und her schritt. Eine ungeheure Kraft schien von diesem Mann auszuströmen, und doch war eine Unentschlossenheit an ihm zu spüren, die möglicherweise neu an ihm war. Vielleicht war er noch stärker gewesen, ehe er sich dem Chaos verschrieb. Man sagte, daß das Chaos jene verkrüppelte, die ihm dienten - und nicht immer nur physisch.
Wieder hielt Ymryl abrupt an und starrte um sich, als spüre er die Anwesenheit der Katze. Doch dann hob er nur den Kopf und murmelte fast flehend:
„Arioch! Weshalb zeigt Ihr Euch nicht? Weshalb schickt Ihr uns keine Botschaft?"
Ein paar Augenblicke blieb Ymryl erwartungsvoll stehen, doch dann setzte er sein Hin- und Hergerenne fort.
Wenig später kehrte Garko zurück.
„Der Zauberer ist hier, Herr."
„Führe ihn herein."
Eine gekrümmte Gestalt in langem grünem Umhang, der mit schwarzen Schlangen bestickt war, kam herein. Über dem Kopf trug er eine Maske, die nach einem zustoßenden Schlangenschädel geformt war. Diese Maske war aus ziseliertem Platin geschmiedet und mit kostbaren Edelsteinen verziert.
„Weshalb habt Ihr mich gerufen?" Die Stimme des Zauberers klang durch die Maske leicht gedämpft und trotz ihrer hörbaren Unterwürfigkeit ein wenig quengelnd. „Ich war mit einem wichtigen Experiment beschäftigt."
„Wenn dieses Experiment genauso erfolgreich ist wie die bisherigen, dann kann es ruhig ein wenig warten, Baron Kalan."
„Ich nehme an, Ihr habt recht." Die Schlangenmaske drehte sich nach links und nach rechts, als ihr Besitzer sich in dem hell beleuchteten Gemach umsah. „Was wolltet Ihr mit mir besprechen, Ymryl?"
„Ich wollte Eure Meinung über unsere Lage erfahren. Meine eigene kennt Ihr ja - daß wir aufgrund eines Planes der Chaosherrscher hier sind..."
„Ja. Und wie Ihr wißt, habe ich keinerlei Erfahrung mit diesen übernatürlichen Wesen. Ich bin Wissenschaftler. Wenn es solche Wesen gibt, dann scheinen sie mir unüberlegt, ja geradezu dumm zu handeln."
„Schweigt!" Ymryl hob die Hand. „Ich dulde Eure Lästerungen, Baron Kalan, weil ich Eure Fähigkeiten respektiere. Ich habe Euch versichert, daß Herzog Arioch vom Chaos und die anderen nicht nur existieren, sondern ein großes Interesse an den Belangen der Menschheit zeigen, und zwar in jeder Beziehung."
„Also gut, wenn ich diese Eure Ansicht akzeptieren muß, dann verstehe ich genausowenig wie Ihr, weshalb sie sich nicht zeigen. Meine Theorie hängt mit meiner
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