Held von Garathorm
sagte Katinka van Bak geringschätzig. „Ihr verdient die Chance nicht, die wir euch bieten. Eure Handlung paßt wunderbar in Ymryls Pläne. Seht ihr denn nicht ein, daß ihr genau das tut, was er sich von euch erhofft?"
„Schweigt!" Der junge Mann mit der Narbe quer über dem Kinn funkelte sie böse an.
Ilian hob den Kopf und schüttelte schwach den Kopf, um ihr Gesicht von den schweißnassen Haarsträhnen zu befreien. „Weshalb versucht Ihr es denn immer wieder, Katinka? Aus ihrer Sicht gesehen, haben sie schließlich recht."
Seit drei Tagen hingen sie schon an den Armen von einem Baum. Sie wurden nur heruntergelassen, um etwas Essen zu sich zu nehmen und sich erleichtern zu können. Doch trotz des damit verbundenen Schmerzes war es nichts, verglichen mit dem, was Ilian in Ymryls Kerker erduldet hatte. Am ersten Tag hatte sie noch mehrere Tritte in den Magen bekommen. Man hatte sie angespuckt, sie geschlagen, sie gedemütigt. Aber es machte ihr nichts aus. Sie hatte es verdient, weshalb also dagegen aufbegehren?
„Sie vernichten sich selbst, wenn sie uns vernichten", sagte Jhary-a-Conel ruhig. Auch er schien die Schmerzen kaum zu empfinden. Es hatte den Anschein, als habe er während ihrer Foltern die meiste Zeit geschlafen. Seine schwarzweiße Katze war verschwunden.
Der junge Mann blickte von Ilian zu Katinka und Jhary. „Wir sind ohnehin zum Untergang verdammt", brummte er. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis Ymryls Bluthunde uns aufstöbern."
„Genau das wollte ich damit andeuten", warf Katinka van Bak ein.
Ilian blickte über die Ruinen der alten Stadt. Von den Stimmen angelockt, kamen die anderen zu dem Baum, an dem die drei Gefangenen hingen. Ilian erkannte viele der Gesichter. Es waren junge Menschen, mit denen sie in den guten alten Tagen viel zusammen gewesen war. Sie gehörten zu den von Katinka van Bak ausgebildeten Kämpfern, die Ymryl am längsten widerstanden hatten, und dazu kamen noch ein paar Bürger, denen es entweder geglückt war, aus Virinthorm zu fliehen, oder die sich zur Zeit der Eroberung nicht in der Stadt aufgehalten hatten. Es gab keinen einzigen unter ihnen, der sie nicht haßte, wie man nur jemanden hassen kann, den man einmal aus tiefster Seele bewundert und verehrt hatte und dann feststellen muß, wie verachtenswert er war.
„Kein einziger - weder unter euch noch uns -, ist hier, der Ymryl nicht die Information gegeben hätte, die er aus ihr herausfolterte", sagte Katinka van Bak hart. „Ihr kennt das Leben schlecht, wenn ihr das nicht versteht. Ihr seid immer noch weich, auch wenn ihr als Kämpfer euren Mann steht. Ihr seid ganz einfach nicht realistisch. Wir sind die einzige Chance für euch, gegen Ymryl zu kämpfen und diesen Kampf zu gewinnen. Uns zu mißhandeln bedeutet, euch ins eigene Fleisch zu schneiden. Vergeßt euren Haß auf Ilian - zumindest bis wir Ymryl besiegt haben. Ihr habt zu wenige Hilfsmittel, meine Freunde, als daß ihr die besten mißachten dürftet!"
Der junge Mann mit der Narbe hieß Mysenal von Hinn. Er war ein entfernter Verwandter Ilians. Früher einmal, dessen war Ilian sicher, hatte er sie glühend verehrt, wie so viele junge Männer des Hofes. Mysenal runzelte die Stirn. „Eure Worte klingen durchaus vernünftig, Katinka van Bak", gestand er. „Und Ihr wart uns früher auch ein guter Ratgeber. Aber wie sollen wir jetzt wissen, daß diese sinnvoll klingenden Worte nicht benutzt werden, um uns hereinzulegen? Aus allem, was uns bekannt ist, könnte es doch ohne weiteres sein, daß Ihr einen Pakt mit Ymryl abgeschlossen habt, um uns in seine Hände zu spielen."
„Ihr dürft nicht vergessen, daß ich Katinka van Bak bin. Etwas Derartiges würde ich nie tun."
„Königin Ilian verriet ihren eigenen Bruder", gab Mysenal zu bedenken.
„Unter unerträglichen Martern", erinnerte Katinka ungeduldig. „Ich hätte sicher unter den gleichen Umständen auch dasselbe getan. Habt ihr denn überhaupt eine Ahnung, wie geschickt Ymryl in dieser Beziehung ist?"
„Ein wenig", gestand Mysenal. „Doch."
„Und weshalb, glaubt ihr, würden wir hierherkommen, wenn wir mit Ymryl im Bunde stünden? Da wir ohnehin wußten, wo ihr euch versteckt hieltet, hätten wir es ihm doch nur zu berichten brauchen. Er hätte einen starken Trupp geschickt, der euch überrascht und vernichtet hätte."
„Nicht überrascht. Wir haben Wachen auf den höchsten Ästen in einen Umkreis von mehr als einer Meile. Wir wären sofort darauf aufmerksam geworden und
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