Held von Garathorm
Ausdruck an sich, aber das konnte natürlich auch daran liegen, daß sie so lange schon gefangengehalten wurde.
„Seid Ihr von Garathorm?" fragte Ilian sie. Sie hob die Lampe, um sich das bleiche Gesicht der Fremden näher anzusehen.
„Garathorm? Dieser Ort hier? Nein!"
„Ihr kommt mir bekannt vor."
„Ihr mir ebenfalls. Aber."
„Ja", sagte Ilian tief seufzend. „Es geht Euch also wie mir. Ihr habt mich nie zuvor gesehen."
„Doch, ich glaube schon." Die Frau sah sie überlegend an, doch dann sagte sie: „Ich heiße Yisselda von Brass. Ich bin Barons Kalans Gefangene, und war es auch schon, ehe wir hierherkamen."
„Weshalb hält er Euch denn gefangen?"
„Er fürchtet, ich könnte entkommen und gesehen werden. Er will mich für sich selbst. Offenbar sieht er eine Art Talisman in mir. Er hat mir körperlich kein großes Leid zugefügt. Glaubt Ihr, Ihr könntet diesen Harnisch aufschneiden?"
Durch die vernünftig klingende Stimme beruhigt, beugte Ilian sich über Yisselda von Brass und durchtrennte die Lederriemen. Yisselda stöhnte, als sie ihre Glieder wieder zu spüren begann. „O ich danke Euch!"
„Ich bin Ilian von Garathorm. Königin Ilian."
„König Pyrans Tochter!" Yisselda war sichtlich überrascht. „Aber Kalan hat Euch doch die Seele herausgezogen, oder nicht?"
„So sagte man es mir. Aber ich habe jetzt eine neue Seele."
„Wirklich?"
Ilian lächelte. „Verlangt nicht, daß ich es Euch erkläre. Also sind nicht alle, die so plötzlich auf unsere Welt kamen, schlecht."
„Die meisten von ihnen sind es. Fast alle dienen dem Chaos, erzählte mir Kalan, und sie bilden sich ein, daß sie nicht getötet werden können. Aber er selbst glaubt nicht, daß das stimmt."
Ilian zitterte. Sie fragte sich, weshalb sie dieses schreckliche Verlangen empfand, diese Frau in mehr als kameradschaftlicher Weise in ihre Arme zu schließen. Nie hatte sie etwas Ähnliches empfunden. Ihre Knie waren weich. Ohne zu überlegen, setzte sie sich auf das Bett.
„Schicksal", murmelte sie. „Sie sagten mir, ich diene dem Schicksal. Wißt Ihr etwas davon, Yisselda von Brass? Ich kenne Euren Namen so gut - und auch Baron Kalans. Mir deucht, ich habe Euch gesucht - mein ganzes Leben nach Euch gesucht - und doch bin nicht ich es, der es tat. Oh." Ilian fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Sie preßte die Hände aufs Gesicht. „Es ist schrecklich!"
„Ich verstehe Euch. Kalan ist der Meinung, daß seine Experimente mit den Krümmungen der Zeit diese Situation herbeigeführt haben. Unsere Leben sind irgendwie verwirrt. Eine Wahrscheinlichkeit schneidet sich mit der anderen. Unter diesen Umständen ist es vielleicht sogar möglich, sich selbst zu begegnen."
„Kalan ist dafür verantwortlich, daß Ymryl und die anderen hierherkamen?"
„Das nimmt er jedenfalls an. Er verbringt seine ganze Zeit damit, das von ihm zerstörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Und ich bin ihm für seine Experimente sehr wichtig. Er hat kein Bedürfnis danach, morgen mit Ymryl in den Kampf zu ziehen."
„Morgen? Kampf gegen wen?"
„Gegen Arnald von Grovent im Westen, wenn ich es richtig verstanden habe."
„Ah, dann ist es also soweit!" Ilian vergaß im Augenblick alles andere. Sie war begeistert. Ihre Chance kam schneller, als sie zu hoffen gewagt hatte.
„Baron Kalan ist Ymryls Maskotte, sozusagen." Yisselda hatte von irgendwo einen Kamm zum Vorschein gebracht und versuchte, ihr zerfilztes Haar in Ordnung zu bringen. „Genau wie ich seine bin. Ich verdanke mein Leben nur einer Kette von Aberglauben."
„Und wo ist Kalan jetzt?"
„Zweifellos in Ymryls Palast - Eures Vaters Palast, nicht wahr?"
„Unser Haus, ja. Was macht er dort?"
„Er experimentiert. Ymryl hat ihm dort ein Laboratorium eingerichtet, obgleich Kalan es vorzieht, hier zu arbeiten. Er setzt mich dann neben sich und spricht zu mir, als wäre ich ein Schoßhündchen. Ansonsten kümmert er sich kaum um mich. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, daß ich nicht viel von dem verstehe, was er erzählt. Ich war jedoch dabei, als er Eure Seele stahl. Es war grauenvoll! Wie habt Ihr sie nur zurückgewonnen?"
Ilian antwortete nicht darauf. „Wie hat er es getan? Wie hat er sie - gestohlen?"
„Mit einem Juwel, ähnlich dem, das Hawkmoons Geist zu verzehren drohte, als es in seine Stirn gebettet war. Nun, jedenfalls ein Edelstein mit ähnlichen Eigenschaften."
„Hawkmoon? Der Name."
„Ja? Kennt Ihr ihn? Wie geht es ihm? Aber er ist doch gewiß nicht in dieser Welt?
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