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Held von Garathorm

Held von Garathorm

Titel: Held von Garathorm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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für jemanden, der ihm nahe war, gegeben. Und trotzdem spukte dieser Gedanke immer wieder in Hawkmoons Kopf herum.
    Einen flüchtigen Moment empfand er fast ein wenig Bedauern - vielleicht hätte er Graf Brass doch nach Londra begleiten sollen? Er sah zu, wie Hauptmann Vedla befahl, das Fallgitter zu heben. Graf Brass hatte Hawkmoon gebeten, sich während seiner Abwesenheit um Burg und Land zu kümmern. Aber die Dienstboten auf der Burg und die Hüter der Kamarg konnten sehr wohl ohne ihn zurechtkommen, ohne seine Entscheidungen zu brauchen.
    Jetzt war auch keine Zeit für Entscheidungen und Handlungen, sondern für Überlegungen. Hawkmoon war entschlossen, einen Weg durch diese Vorstellungen zu finden, die er in seinem Kopf verborgen fühlte und die er doch irgendwie -noch - nicht erreichen konnte. So sehr seine alten Freunde auch sein „Spiel mit den Zinnsoldaten" verachteten, er wußte, daß er durch sie - indem er sie in immer neuen Aufstellungen bewegte - diese sich ihm immer entziehenden Gedanken einmal zu fassen bekäme. Und sie würden ihm die Wahrheit seiner eigenen Situation verraten. Verstand er diese erst, würde er Yisselda lebend wiederfinden. Und er war sich fast sicher, daß er auch zwei Kinder entdecken würde - einen Jungen und ein Mädchen, wenn er sich nicht täuschte. Alle hatten sie ihn für wahnsinnig gehalten - fünf Jahre lang. Er war jedoch überzeugt, daß er es nicht gewesen war. Er glaubte, sich selbst zu gut zu kennen - und wenn der Wahnsinn ihn jemals erfassen sollte, dann auf eine andere Weise, als seine Freunde es für möglich hielten.
    Nun winkten Graf Brass und sein Gefolge den Zurückbleibenden zu, dann ritten sie durch das Tor.
    Im Gegensatz zu Graf Brass' Vermutung hielt Hawkmoon sehr viel von seinem alten Freund, und es schmerzte ihn ein wenig, ihn fortreiten zu sehen. Aber Hawkmoons Problem war, daß er seine Gefühle nicht mehr zeigen und ausdrücken konnte. Er war viel zu sehr mit seinen eigenen Überlegungen beschäftigt, mit seinem Problem, das er durch die Manipulationen der winzigen Figuren auf seinen Tischen zu lösen hoffte.
    Hawkmoon blickte Graf Brass und seinen Männern nach, als sie die Serpentinenstraße zur Stadt hinunter und schließlich durch Aigues-Mortes ritten. Die Bürger hatten sich am Straßenrand gesammelt, um Graf Brass Lebewohl zu wünschen und ihm nachzuwinken. Schließlich erreichte der kleine Trupp das Tor und den breiten Weg durch die Marschen. Bis sie außer Sicht waren, verfolgte Hawkmoon sie mit den Augen, dann erst wandte er sich vom Fenster ab und beschäftigte sich wieder mit seinen winzigen Modellfiguren.
    Gegenwärtig arbeitete er eine Situation aus, in der man ihm das Schwarze Juwel nicht eingepflanzt hatte. In ihr gab es zwar Oladahn von den Bulgarbergen, nicht aber die Legion der Morgenröte. Hätte in diesem Fall das Dunkle Imperium geschlagen werden können? Und wenn ja, wie hätte es sich ermöglichen lassen? Er erreichte den Punkt, an dem er schon Hunderte Male angelangt war: die Schlacht von Londra. Aber diesmal, zum erstenmal, kam ihm der Gedanke, daß ja auch er hätte fallen können. Hätte das Yisseldas Leben gerettet?
    Wenn er hoffte, durch diese Permutationen vergangener Ereignisse einen Weg zu finden, um die Wahrheit zu ergründen, die er tief in seinem Gehirn versteckt glaubte, so schlug es auch diesmal fehl. Er beendete die mit dieser Möglichkeit verbundene Taktiken, er registrierte die neuentstehenden Eventualitäten, und überdachte die nächsten Entwicklungen. Er wünschte, Bowgentle wäre nicht in Londra gefallen. Bowgentle hatte viel gewußt und hätte ihm vielleicht jetzt helfen können.
    Aber was das betraf, kämen vielleicht auch die Kuriere, die Gesandten des Runenstabs in Betracht - der Ritter in Schwarz und Gold, Orland Fank oder sogar der mysteriöse Jehamiah Cohnahlias, der nie von sich behauptet hatte, menschlich zu sein. Im Dunkel vieler Nächte hatte er hilfesuchend nach ihnen gerufen, aber sie waren nicht gekommen. Der Runenstab war nun in Sicherheit, und sie bedurften Hawkmoons nicht mehr. Er hatte sich von ihnen im Stich gelassen gefühlt, obwohl er wußte, daß sie ihm zu nichts verpflichtet waren.
    Aber konnte nicht vielleicht der Runenstab irgendwie mit den Geschehnissen verwickelt sein, die ihn betrafen? War dieses seltsame Artefakt vielleicht einer neuerlichen Gefahr ausgesetzt? Hatte es eine weitere Reihe von Ereignissen in Bewegung gesetzt - ein neues Schicksalsmuster zu weben begonnen? Hawkmoon

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