Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
Wasserdecke, die über ein Bett aus Steinen jagte. Einige Meter flussabwärts fielen die Stromschnellen in ein dunkelblaues Wasserloch.
Etwas an diesem Fluss machte ihr zu schaffen. Die Zikaden in den Bäumen waren verstummt. Kein Vogel zwitscherte. Das Wasser schien einen Vortrag zu halten und nur seine eigene Stimme zuzulassen.
Aber je mehr Piper lauschte, umso einladender kam ihr der Fluss vor. Sie hätte gern daraus getrunken. Vielleicht sollte sie die Schuhe ausziehen. Ihre Füße konnten wirklich ein Bad gebrauchen. Und dieses tiefe Wasserloch … Es wäre so nett, mit Jason hineinzuspringen und sich im Schatten der Bäume zu entspannen, sich in dem schönen kühlen Wasser treiben zu lassen.
Piper schüttelte sich. Das waren nicht ihre Gedanken. Etwas stimmte hier nicht. Sie hatte fast das Gefühl, als versuche der Fluss es mit Charmesprech.
Jason setzte sich auf einen Felsen und fing an, sich die Schuhe auszuziehen. Er grinste das Wasser an, als könnte er es nicht erwarten, hineinzuspringen.
»Schluss damit!«, schrie Piper den Fluss an.
Jason machte ein verwirrtes Gesicht. »Womit denn Schluss?«
»Nicht du«, sagte Piper. »Der da.«
Sie kam sich blöd vor, als sie auf das Wasser zeigte, aber sie war sicher, dass der Fluss irgendeine Art Zauber ausübte und ihre Gefühle verwirrte.
Als sie schon glaubte, den Verstand verloren zu haben und das auch jeden Moment von Jason zu hören zu kriegen, sprach der Fluss: Verzeiht mir. Singen ist eine der wenigen Freuden, die mir noch bleiben.
Eine Gestalt tauchte aus dem Wasserloch auf, als wäre sie mit dem Fahrstuhl hochgefahren.
Pipers Schultern spannten sich an. Es war das Wesen, das sie in ihrer Messerklinge gesehen hatte, der Stier mit dem Menschengesicht. Seine Haut war blau wie das Wasser. Seine Hufe schwebten über der Wasseroberfläche. Auf seinem Stiernacken saß der Kopf eines Mannes mit kurzen Locken und gekräuseltem Bar nach altgriechischer Mode, tiefen traurigen Augen hinter einer Gleitsichtbrille und einem Mund, der ununterbrochen zu schmollen schien. Aus der linken Seite seines Kopfes wuchs ein Stierhorn – ein geschwungenes schwarz-weißes von der Sorte, die Krieger als Trinkgefäße benutzten. Das Ungleichgewicht ließ seinen Kopf zur Seite kippen und er sah aus, als versuche er, Wasser aus seinem Ohr zu schütteln.
»Hallo«, sagte er traurig. »Ihr wollt mich umbringen, nehme ich an.«
Jason zog die Schuhe wieder an und erhob sich langsam. »Äh, na ja …«
»Nein«, schaltete sich Piper ein. »Es tut mir leid. Das ist uns peinlich. Wir wollen Euch eigentlich gar nicht belästigen, aber Herkules hat uns geschickt.«
»Herkules«, der Stiermann seufzte. Seine Hufe scharrten angriffsbereit auf dem Wasser. »Für mich wird er immer Herakles sein. Das ist sein griechischer Name, wisst ihr. Der Ruhm der Hera. «
»Komischer Name«, sagte Jason. »Wo er sie doch hasst.«
»Stimmt«, sagte der Stiermann. »Vielleicht hat er deshalb nicht widersprochen, als die Römer daraus Herkules gemacht haben. Natürlich ist das der Name, unter dem er vor allem bekannt ist … Das ist sein Markenzeichen, wenn ihr so wollt. Herkules ist ja schließlich imagebewusst.«
Der Stiermann sagte das bitter, aber vertraulich, als ob Herkules ein alter Freund sei, den er nicht mehr verstand.
»Ihr seid Acheloos?«, fragte Piper.
Der Stiermann knickte die Vorderbeine ein und senkte den Kopf zu einer Verbeugung, was Piper süß und ein bisschen traurig fand. »Zu Diensten. Flussgott zur besonderen Verfügung. Einst der Geist des mächtigsten Flusses in Griechenland. Jetzt verbannt hierher, auf die andere Seite der Insel meines alten Feindes. Ach, die Götter sind grausam! Aber wen von uns beiden sie damit bestrafen wollten, dass sie uns so dicht zusammengepfercht haben, weiß ich nicht so recht.«
Piper war nicht klar, was er damit meinte, aber wieder drang das Rauschen des Flusses in ihre Gedanken – und erinnerte sie daran, wie verschwitzt und durstig sie war und wie angenehm ein Bad doch wäre. Sie versuchte, sich zu konzentrieren.
»Ich bin Piper«, sagte sie. »Das hier ist Jason. Wir wollen nicht kämpfen. Es ist bloß so, dass Herakles – Herkules –, wer immer er nun sein mag, wütend auf uns ist und uns hergeschickt hat.«
Sie erzählte von ihrer Fahrt in die Alte Welt, um die Riesen am Aufwecken Gaias zu hindern. Sie beschrieb, wie ihr Team aus Griechen und Römern sich zusammengefunden hatte und wie Herkules einen Wutanfall erlitten
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