Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
blicken konnte. Hier und dort ragte ein kleines Sims vor, aber Annabeth sah darauf nichts – nur Stränge aus Spinnenseide, die wie Lametta über die Kante hingen.
Annabeth hätte gern gewusst, ob Arachne die Wahrheit über den Abgrund gesagt hatte. War die Spinne bis in die Tiefen des Tartarus gefallen? Annabeth versuchte, diese Vorstellung gut zu finden, aber Arachne hatte ja wirklich schöne Kunstwerke geschaffen. Und sie hatte seit Äonen gelitten. Jetzt waren ihre letzten Wandteppiche zu Staub zerfallen. Dann auch noch in den Tartarus zu stürzen wirkte wie ein gar zu grausames Ende.
Annabeth registrierte vage, dass die Argo II in etwa dreizehn Meter Höhe zum Stillstand kam. Eine Strickleiter fiel herab, aber Annabeth war wie betäubt und starrte weiter in die Finsternis. Dann stand plötzlich Percy neben ihr und verschränkte seine Finger mit ihren.
Er drehte sie sanft von der Grube fort und legte die Arme um sie. Sie schmiegte das Gesicht an seine Brust und brach in Tränen aus.
»Ist schon gut«, sagte er. »Wir sind zusammen.«
Er sagte nicht, du bist gerettet oder wir leben noch. Nach allem, was sie im vergangenen Jahr mitgemacht hatten, wussten sie, dass es das Wichtigste war, dass sie zusammen waren. Und sie liebte ihn dafür, dass er das gesagt hatte.
Ihre Freunde drängten sich um sie zusammen. Nico di Angelo war bei ihnen, aber Annabeth war so verwirrt, dass sie davon überhaupt nicht überrascht war. Es kam ihr nur richtig vor, dass er auch hier war.
»Dein Bein.« Piper kniete sich neben sie und untersuchte den Verband aus Blasenfolie. »Oh, Annabeth, was ist denn bloß passiert?«
Annabeth begann zu erklären. Das Sprechen fiel ihr schwer, aber nach und nach kamen die Wörter flüssiger. Percy ließ ihre Hand nicht los, und auch deshalb fühlte sie sich zuversichtlicher. Als sie fertig war, sahen ihre Freunde einfach nur verdutzt aus.
»Götter des Olymp«, sagte Jason. »Das alles hast du allein geschafft. Mit einem gebrochenen Knöchel.«
»Na ja … nicht alles mit einem gebrochenen Knöchel.«
Percy grinste. »Du hast Arachne ihre eigene Falle weben lassen? Ich hab ja gewusst, dass du genial bist, aber heilige Hera – Annabeth, du hast es wirklich geschafft. Generationen von Kindern der Athene haben es versucht und sind gescheitert. Aber du hast die Athena Parthenos gefunden!«
Alle starrten die Statue an.
»Was machen wir denn jetzt damit?«, fragte Frank. »Die ist ja riesig.«
»Wir müssen sie mit nach Griechenland nehmen«, sagte Annabeth. »Die Statue hat Macht. Irgendetwas an ihr wird uns helfen, die Riesen zu stoppen.«
»Der Fluch der Giganten steht golden und bleich«, zitierte Hazel, »in Schmerz gewonnen aus gewebtem Reich.« Sie sah Annabeth bewundernd an. »Die Falle für Arachne war gemeint. Und du hast sie dazu gebracht, die zu weben.«
In sehr viel Schmerz, dachte Annabeth.
Leo hob die Hände. Er formte mit den Fingern einen Bilderrahmen um die Athena Parthenos, als ob er ihre Maße nähme. »Na, wir werden etwas umräumen müssen, aber ich glaube schon, dass wir sie durch die Bodentüren in den Stall schaffen können. Wenn sie unten noch rausschaut, muss ich ihr vielleicht eine Flagge um die Füße wickeln oder so was.«
Annabeth schauderte es. Sie stellte sich vor, wie die Athena Parthenos aus der Triere herausragte, mit einem Schild am Sockel, auf dem stand: ACHTUNG! ÜBERLÄNGE!
Dann dachte sie an die übrigen Zeilen der Weissagung: Engelsodem die Zwillinge aushauchen, um die Schlüssel zum ewigen Tod zu gebrauchen.
»Und bei euch?«, fragte sie. »Was war denn nun mit den Riesen?«
Percy erzählte ihr von der Rettung Nicos, vom Auftritt des Bacchus und dem Kampf mit den Zwillingen im Kolosseum. Nico sagte nicht viel. Der Arme sah aus, als ob er sechs Wochen lang durch die Wüste gewandert wäre. Percy erzählte auch, was Nico über die Tore des Todes in Erfahrung gebracht hatte und dass sie auf beiden Seiten geschlossen werden mussten. Trotz des Sonnenlichts, das von oben hereinströmte, wirkte die Höhle nach Percys Bericht wieder dunkel.
»Die sterbliche Seite ist also in Epirus«, sagte Annabeth. »Da können wir ja immerhin hinkommen.«
Nico schnitt eine Grimasse. »Aber das Problem ist auf der anderen Seite: der Tartarus.«
Das Wort schien in der Höhle ein Echo zu werfen. Die Grube hinter ihnen stieß einen kalten Luftzug aus. Und jetzt wusste Annabeth es ganz sicher: Der Abgrund führte wirklich bis in die Unterwelt.
Auch Percy
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