Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
verflixten Vater«, knurrte Queen Marie, wenn sie in düsterer Stimmung war. »Taucht hier in seinem feschen silbernen und schwarzen Anzug auf. Das eine Mal, dass ich wirklich einen Geist herbeirufe, und was kriege ich? Erfüllt meine Wünsche und ruiniert mein Leben. Ich wollte doch eine echte Königin sein. Es ist seine Schuld, dass du so geworden bist.«
Sie wollte nie erklären, was sie meinte, und Hazel hatte gelernt, nicht nach ihrem Vater zu fragen. Das machte ihre Mutter nur noch wütender.
Während Hazel zusah, murmelte Queen Marie etwas vor sich hin. Ihr Gesicht war ruhig und gelassen. Hazel staunte darüber, wie schön sie aussah ohne böse Blicke und gerunzelte Stirn. Sie hatte eine üppige Mähne aus goldbraunen Haaren, genau wie Hazel, und den gleichen dunklen Teint, braun wie eine geröstete Kaffeebohne. Sie trug jetzt nicht die fantasievollen safrangelben Gewänder und goldenen Armreifen, mit denen sie die Kundschaft beeindruckte, sondern ein schlichtes weißes Kleid. Trotzdem hatte sie eine königliche Haltung, sie saß gerade und würdevoll in ihrem vergoldeten Sessel, als wäre sie wirklich eine Königin.
»Dort wirst du in Sicherheit sein«, murmelte sie. »Weit weg von den Göttern.«
Hazel unterdrückte einen Schrei. Die Stimme, die aus dem Mund ihrer Mutter kam, gehörte nicht ihr. Sie klang wie die einer älteren Frau. Ihr Tonfall war sanft und beruhigend, aber auch gebieterisch – wie bei einer Hypnotiseurin, die Befehle erteilt.
Queen Marie erstarrte. Sie schnitt in ihrer Trance eine Grimasse, dann sagte sie mit ihrer normalen Stimme: »Das ist zu weit. Zu kalt. Zu gefährlich. Er hat gesagt, wir sollten das nicht tun.«
Die andere Stimme entgegnete: »Was hat er denn je für euch getan? Er hat dir ein vergiftetes Kind verpasst! Aber wir können uns ihre Gabe zu Nutze machen. Wir können uns gegen die Götter wehren. Im Norden, weit entfernt vom Herrschaftsbereich der Götter, werdet ihr unter meinem Schutz stehen. Ich werde meinen Sohn zu eurem Beschützer machen. Du wirst endlich wie eine Königin leben.«
Queen Marie wand sich. »Aber was ist mit Hazel …«
Dann verzog sich ihr Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. Beide Stimmen sprachen gleichzeitig, als ob sie endlich einig geworden wären: »Ein vergiftetes Kind.«
Hazel rannte die Treppe hinunter, ihr Puls hämmerte.
Unten stieß sie mit einem Mann in einem dunklen Anzug zusammen. Er packte ihre Schultern mit kalten starken Fingern.
»Ganz ruhig, Kind«, sagte der Mann.
Hazel sah den silbernen Totenkopfring an seinem Finger, dann fiel ihr der seltsame Stoff seines Anzugs auf. Im Schatten schien die schwarze Wolle sich zu bewegen und zu brodeln, Bilder von gequälten Gesichtern zu bilden, als versuchten verlorene Seelen, aus den Falten seiner Kleidung zu entfliehen.
Sein Schlips war schwarz und hatte platinfarbene Streifen. Sein Hemd war grabsteingrau. Und sein Gesicht – Hazels Herz wäre fast aus ihrer Kehle gesprungen. Seine Haut war so weiß, dass sie fast blau wirkte, wie kalte Milch. Er hatte einen fettigen schwarzen Schopf. Sein Lächeln war durchaus freundlich, seine Augen aber loderten vor Zorn, voller wahnwitziger Wut. Hazel hatte diesen Blick im Kino in der Wochenschau gesehen. Dieser Mann sah aus wie der schreckliche Adolf Hitler. Er hatte keinen Schnurrbart, ansonsten aber hätte er Hitlers Zwillingsbruder sein können – oder sein Vater.
Hazel versuchte, sich aus seinem Zugriff zu befreien, aber auch, als der Mann losließ, schien sie sich nicht bewegen zu können. Seine Augen ließen sie erstarren.
»Hazel Levesque«, sagte er mit trauriger Stimme. »Du bist gewachsen.«
Hazel fing an zu zittern. Unten an der Treppe bekam der Zementboden unter den Füßen des Mannes Risse. Ein funkelnder Stein sprang aus dem Beton, als ob die Erde einen Wassermelonenkern ausgespuckt hätte. Der Mann sah ihn ohne Überraschung an und bückte sich.
»Nicht!«, rief Hazel. »Der ist verflucht.«
Er hob den Stein auf – einen perfekt geformten Smaragd. »Ja, das stimmt, aber nicht für mich. Und so schön … mehr wert als dieses Gebäude, schätze ich.« Er ließ den Smaragd in seine Tasche gleiten. »Dein Schicksal tut mir leid, Kind. Sicher hasst du mich.«
Hazel verstand nicht. Der Mann hörte sich traurig an, als ob er persönlich für ihr Leben verantwortlich wäre. Dann begriff sie: Ein Geist in Silber und Schwarz, der die Wünsche ihrer Mutter erfüllt und ihr Leben ruiniert hatte.
Sie machte große
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