Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
sie nicht«, versprach Nico. »Sie werden bald einen Einsatz planen. Das müssen sie. Ich werde stolz auf dich sein. Vertrau mir, Bian…«
Er verstummte, aber Hazel wusste, wie er sie fast genannt hätte: Bianca. Nicos echte Schwester – die, mit der er aufgewachsen war. Sicher lag Nico etwas an Hazel, aber sie würde niemals Bianca sein. Hazel war einfach das Zweitbeste, was Nico bekommen hatte – ein Trostpreis aus der Unterwelt.
»Tut mir leid«, sagte er.
Hazel hatte einen metallischen Geschmack im Mund, als ob unter ihrer Zunge Goldnuggets auftauchten. »Dann stimmt das mit dem Tod? Ist Alkyoneus daran schuld?«
»Ich glaube schon«, sagte Nico. »Die Lage in der Unterwelt spitzt sich zu. Dad versucht wie verrückt, alles unter Kontrolle zu halten. Und nach dem, was Percy über die Gorgonen gesagt hat, wird es auch hier oben schlimmer. Aber hör mal, deshalb bist du ja hier. Dieser ganze Kram in deiner Vergangenheit – du kannst dafür sorgen, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Du gehörst ins Camp Jupiter.«
Das klang so albern, dass Hazel fast gelacht hätte. Sie gehörte überhaupt nicht an diesen Ort. Sie gehörte nicht einmal in dieses Jahrhundert.
Und sie hätte nicht so dumm sein dürfen, sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, aber sie erinnerte sich an den Tag, an dem ihr altes Leben zerbrochen war. Dieser Blackout überkam sie so plötzlich, dass sie nicht einmal mehr oha sagen konnte. Sie wurde in der Zeit zurückversetzt. Es war kein Traum und keine Vision. Die Erinnerung brach mit solcher Klarheit über sie herein, dass sie das Gefühl hatte, wirklich dort zu sein.
Ihr letzter Geburtstag. Sie war gerade dreizehn geworden. Aber es war nicht im vergangenen Dezember – sondern am 17. Dezember 1941, dem letzten Tag, den sie in New Orleans verbracht hatte.
VI
Hazel
Hazel ging allein aus dem Reitstall nach Hause. Obwohl es ein kalter Abend war, glühte sie vor Hitze. Sammy hatte sie soeben auf die Wange geküsst.
Der Tag hatte viele Höhe- und Tiefpunkte gehabt. Die Kinder in der Schule hatten sich über ihre Mutter lustig gemacht und sie Hexe und noch vieles andere genannt. Das ging schon lange so, aber nun wurde es schlimmer. Es waren Gerüchte über Hazels Fluch in Umlauf gekommen. Die Schule hieß St.-Agnes-Akademie für Farbigen- und Indianerkinder, ein Name, der sich seit hundert Jahren nicht geändert hatte. Und wie der Name verbarg die ganze Schule große Grausamkeit unter einer dünnen Schicht Freundlichkeit.
Hazel begriff nicht, wie andere schwarze Kinder so gemein sein konnten. Sie müssten es besser wissen, wo sie doch selbst die ganze Zeit angepöbelt wurden. Aber sie schrien sie an und stahlen ihr das Mittagessen, und immer fragten sie nach den berühmten Juwelen: »Wo sind diese verdammten Diamanten, Mädchen? Her damit oder ich tu dir was!« Sie stießen Hazel vom Trinkwasserhahn weg und bewarfen sie mit Steinen, wenn sie sich ihnen auf dem Schulhof nähern wollte.
Obwohl sie so schrecklich waren, gab Hazel den anderen niemals Diamanten oder Gold. So sehr hasste sie wirklich keinen Menschen. Und sie hatte einen Freund – Sammy – und das war genug.
Sammy machte gern Witze darüber, dass er der perfekte Schüler für St. Agnes sei. Er kam aus Mexiko und hielt sich für einen Farbigen und einen Indianer. »Sie müssten mir ein doppeltes Stipendium geben«, sagte er.
Er war nicht groß oder stark, aber er hatte ein verrücktes Lächeln und er brachte Hazel zum Lachen.
An diesem Nachmittag war er mit ihr in den Stall gegangen, wo er als Pferdebursche arbeitete. Es war ein Reitclub, der natürlich für Weiße reserviert war, aber über die Woche war er geschlossen, und jetzt, im Krieg, hieß es, der Verein werde vielleicht ganz und gar stillgelegt werden müssen, bis die Japaner besiegt waren und die Soldaten nach Hause kamen. Sammy konnte Hazel meistens hineinschmuggeln, damit sie ihm half, die Pferde zu versorgen. Und manchmal ritten sie auch.
Hazel liebte Pferde. Sie schienen die einzigen Lebewesen zu sein, die keine Angst vor ihr hatten. Menschen hassten sie. Katzen fauchten. Hunde knurrten. Sogar der blöde Hamster in Miss Finleys Klasse quiekte vor Entsetzen, wenn sie ihm eine Möhre hinhielt. Aber Pferde hatten nichts gegen sie. Wenn sie im Sattel saß, konnte sie so schnell reiten, dass keine Gefahr bestand, dass Edelsteine hinter ihr auftauchen könnten. Sie hatte dann fast das Gefühl, von ihrem Fluch befreit zu sein.
An diesem Nachmittag hatte
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