Heldenklingen
Hand drückte. Tunny hob eine Augenbraue, schraubte sie auf, schnupperte, schraubte den Verschluss wieder zu und ließ den Flachmann in seine eigene Jacke gleiten. Dann nickte er. Das ersetzte zwar kaum, was er im Moor verloren hatte, aber es war zumindest etwas.
»Lederlecker!«, zischte er, als sie durchs Gebüsch zurückkrochen. »Ich brauche einen Freiwilligen!«
GUTES TAGEWERK
B ei den Toten«, knurrte Kropf, und von denen gab es nun wirklich reichlich.
Sie lagen überall auf dem Nordhang des Hügels, den er humpelnd hinaufstieg, und es gab auch mehr als genug Verwundete, die schrien und wimmerten, wie Verwundete es eben immer tun – ein Geräusch, das Kropf mit jedem Jahr unerträglicher fand. Am liebsten hätte er die armen Ärsche angeschrien, endlich die Klappe zu halten, und sobald er das dachte, fühlte er sich schuldig, weil er wusste, dass er selbst auch schon reichlich geschrien und gewimmert hatte und das vermutlich auch noch öfters tun würde.
Noch mehr Tote türmten sich rund um die Trockensteinmauer. Beinahe so viele, dass man den verdammten Hügel hätte erklettern können, ohne auch nur einmal das niedergewalzte Gras zu berühren. Hier endeten Männer beider Seiten plötzlich auf derselben – bleich und glotzend standen sie nun am anderen Ufer der trennenden Kluft. Ein junger Unionist war offenbar bäuchlings gestorben, den Hintern in die Luft gereckt, und er starrte Kropf von der Seite mit erstaunt entsetztem Gesichtsausdruck an, als wollte er darum bitten, dass man ihn in eine etwas würdevollere Haltung bettete.
Kropf gab sich nicht lange mit solchen Gedanken ab. Würde nützte schon den Lebenden wenig genug. Den Toten nützte sie gar nichts.
Der Hang bot jedoch nur einen Vorgeschmack auf den Anblick, der innerhalb des Heldenkreises auf Kropf wartete – als sei der Große Gleichmacher ein Possenreißer, der seine Pointe mit viel Sorgfalt aufgebaut hatte. Kropf war sich nicht sicher, ob er jemals zuvor so viele tote Menschen auf so kleinem Raum zusammengepfercht hatte liegen sehen. Haufen von Menschen, die sich in altbekannter Friedhofsumarmung innig umschlungen hielten. Hungrige Vögel hüpften über die Steine und warteten auf einen günstigen Augenblick. Fliegen krochen bereits emsig über die offenen Münder, die offenen Augen, die offenen Wunden. Woher kamen all diese Fliegen so plötzlich? Der ganze Hügel hatte bereits diesen typischen Heldengeruch angenommen. Körper, aufgedunsen in der Abendsonne, ihre Innereien feilbietend.
Eigentlich hätte dieser Anblick jeden dazu bringen müssen, an die Endlichkeit des eigenen Daseins zu denken, aber die vielen Dutzend Hörige, die sich auf diesem Schlachtfeld tummelten, gaben sich so gleichgültig, als seien sie beim Blumenpflücken. Sie zogen Kleidungsstücke und Rüstungsteile von den toten Körpern und stapelten die Schilde und Waffen auf, die noch gut genug waren, um weiterverwendet zu werden. Wenn sie überhaupt schlechter Stimmung waren, dann höchstens deswegen, weil die Carls, die den Angriff geführt hatten, bereits die besten Beutestücke eingesammelt hatten.
»Zu alt für diesen Scheiß«, brummte Kropf und beugte sich ein wenig hinunter, um sein pochendes Knie zu betasten, durch das sich ein kalter Schmerzensstrang zog, der vom Knöchel bis zur Hüfte reichte.
»Wenn das nicht endlich Curnden Kropf ist!« Whirrun hatte gegen einen der Helden gelehnt im Gras gesessen, stand nun auf und klopfte sich den Dreck vom Hintern. »Ich hatte das Warten schon fast aufgegeben.« Er schwang sich den Vater der Schwerter, der nun wieder in seiner Scheide steckte, über eine Schulter und deutete damit ins Tal, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Dachte schon, du hättest dich vielleicht auf einem der Bauernhöfe da unten niedergelassen.«
»Ich wünschte, es wäre so.«
»Ah, aber wer würde mir dann mein Schicksal weisen?«
»Hast du gekämpft?«
»Ja, das habe ich tatsächlich. Ich steckte mittendrin. Wenn man nach den Liedern geht, dann habe ich fürs Kämpfen ja auch jede Menge übrig. Hier wurde hart gekämpft.« Trotzdem hatte er keinen Kratzer. Kropf hatte noch nie erlebt, dass Whirrun bei einer Schlacht etwas abbekommen hatte. Der sah sich nun die Überreste des Gemetzels innerhalb des Steinkreises an und fuhr sich durchs Haar, während der Wind in diesem Augenblick leicht an den zerfetzten Kleidern der Toten zupfte. »Jede Menge tote Männer, so wie’s aussieht.«
»Joh«, brummte Kropf.
»Haufenweise. Wirklich
Weitere Kostenlose Bücher