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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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seinem schon recht mitgenommenen Mantel neben ihm, und sein ebenfalls recht mitgenommenes Gesicht blickte so resigniert, als sei er des Lebens wahrlich überdrüssig.
    Der Nordmann ließ den Kopf in den Nacken sinken, bis er sanft gegen die abblätternde Wand dahinter stieß. »Manche Leute bleiben allerdings lieber sauber, nicht wahr? Und verlieren dann.«
    Gorst konnte es sich kaum leisten, sich mit dem einzigen Mann zu verbünden, der noch mehr ein Außenseiter war als er selbst. Er verschanzte sich hinter seinem üblichen Schweigen wie hinter einer erprobten Rüstung und wandte seine Aufmerksamkeit dem nervösen Geschwätz der Offiziere zu.
    »Wann kommen sie hier an?«
    »Bald.«
    »Wie viele sind es?«
    »Drei, habe ich gehört.«
    »Nur einer. Es genügt ein Mitglied des Geschlossenen Rats.«
    »Der Geschlossene Rat?«, quiekte Gorst, dessen Stimme nun durch einen Anfall von Nervosität solche Höhen erreichte, dass sie für das menschliche Ohr kaum noch hörbar war. Er spürte einen übelkeiterregenden Nachgeschmack des Entsetzens, das er an jenem Tag empfunden hatte, als ihn diese schrecklichen alten Männer seines Amtes enthoben hatten. Sie haben meine Träume so beiläufig zerstört, wie ein Junge einen Käfer zerdrückt. »Und als Nächstes …«, hatte es geheißen, als man ihn wieder auf den Flur hinausschickte und die schwarzen Türen sich wie Sargdeckel hinter ihm schlossen. Nicht länger ein Mitglied der königlichen Garde. Nicht länger ein Ritter der Wacht. Nicht länger etwas anderes als ein quiekender Witz. Mein Name ein Sinnbild für Scheitern und Entehrung. Noch immer sah er die Versammlung vor sich, die zerfurchten und schlaffen Gesichtszüge, die abfälligen Mienen. Am Haupt des Tisches das blasse Gesicht des Königs, die Zähne zusammengebissen, den Blick von Gorst abgewandt. Als sei der Ruin seines treuesten Dieners nichts mehr als ein unangenehmer Tagesordnungspunkt …
    »Welcher von ihnen wird es sein?«, fragte Felnigg. »Wissen wir das schon?«
    »Das spielt wohl kaum eine Rolle.« Kroy sah zum Fenster. Hinter den halb geschlossenen Läden wurde der Regen stärker. »Wir wissen bereits, was er sagen wird. Der König verlangt einen großen Sieg, in doppelter Schnelligkeit und für halb so viel Geld.«
    »Wie immer!«, krähte Mitterick so berechenbar wie ein übereifriger Hahn. »Verdammte Politiker, ständig stecken sie ihre Nasen in unsere Angelegenheiten! Diese Schwindler im Geschlossenen Rat kosten uns mehr Leben, als der verdammte Feind uns jemal…«
    Der Türknauf drehte sich mit lautem Rasseln, und ein breit gebauter alter Mann betrat den Raum, völlig kahl, aber mit einem kurz geschnittenen, grauen Bart. Auf den ersten Blick vermittelte er nicht den Anschein höchster Macht. Seine Kleidung war kaum weniger regennass und dreckverschmiert wie Gorsts. Der stahlbeschlagene Stab aus schlichtem Holz, den er bei sich trug, wirkte eher wie ein Wanderstock, nicht wie ein Ämterstab. Aber dennoch, obwohl ihm und dem einzigen bescheidenen Bedienten, der hinter ihm ins Zimmer wuselte, eine zehnfache Übermacht gegenüberstand – darunter einige der eitelsten Gockel des gesamten Heeres – , waren es die Offiziere, die nun den Atem anhielten. Der alte Mann strahlte ein unerschütterliches Selbstbewusstsein aus, eine gewisse verächtliche Sicherheit und meisterliche Kontrolle. Wie ein Metzger, der sich die Säue betrachtet, die an diesem Tag ihr Leben lassen werden.
    »Lord Bayaz.« Kroys Gesicht war ein wenig blasser geworden. Es war vielleicht das erste Mal, dass Gorst den Marschall jemals überrascht erlebte, und damit war er nicht der Einzige. Die Versammelten hätten nicht verblüffter dreinblicken können, wenn der Leichnam Harods des Großen auf einer Bahre hereingetragen worden wäre und zu ihnen gesprochen hätte.
    »Meine Herren.« Bayaz warf seinen Stab lässig dem lockenköpfigen Diener zu, wischte sich mit einem leicht zischenden Geräusch die Regentropfen von seiner kahlen Platte und schüttelte sie dann von seiner Handkante. Für eine legendäre Gestalt schien er bemerkenswert wenig Wert auf große Gesten zu legen. »Das ist vielleicht ein Wetter, was? Manchmal liebe ich den Norden, aber manchmal auch … nicht ganz so sehr.«
    »Wir haben nicht erwart…«
    »Wie sollten Sie auch?« Bayaz gluckste auf humorige Weise, die dennoch wie eine Drohung wirkte. »Ich bin im Ruhestand! Wieder einmal hatte ich meinen Sitz im Geschlossenen Rat aufgegeben, um mich meiner Bibliothek zu

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