Heldenklingen
stolzierte im Nieselregen hinter dem Wagen her und konnte beinahe körperlich spüren, wie das spöttische Gelächter der Männer und ihrer Offiziere prickelnd gegen seinen Rücken schlug.
Lord Marschall Kroy, Oberbefehlshaber der Heere Seiner Majestät im Norden, hatte das größte Gebäude innerhalb eines Umkreises von zehn Meilen als Übergangshauptquartier requiriert. Es handelte sich um eine niedrige Kate, die so moosbewachsen war, dass sie wie ein verlassener Misthaufen wirkte. Eine zahnlose alte Frau und ihr noch älterer Ehemann, vermutlich die enteigneten Besitzer, saßen auf der Türschwelle der dazugehörigen Scheune unter einem fadenscheinigen Schultertuch und sahen zu, wie Gorst schmatzenden Schrittes auf ihre ehemalige Haustür zuging. Sie wirkten nicht besonders beeindruckt. Ebenso wenig wie die vier Wachleute, die in nassem Ölzeug vor dem überdachten Eingang standen. Oder die durchfeuchteten Offiziere, die die Wohnstube bevölkerten. Sie sahen sich erwartungsvoll um, als Gorst sich unter dem Türsturz hindurchduckte, und blickten alle gleichermaßen enttäuscht drein, als sie erkannten, wer es war.
»Es ist Gorst«, stieß einer verächtlich hervor, als hätte er einen König erwartet und stattdessen den Burschen zu Gesicht bekommen, der die Nachttöpfe leerte.
Dem guten Gorst offenbarte sich in dem kleinen Raum die perfekte Zuschaustellung geballter militärischer Prachtentfaltung. Den Mittelpunkt bildete Marschall Kroy, der mit unerschütterlicher Disziplin am Haupt des Tisches saß, wie stets makellos in frisch gebügelter, schwarzer Uniform, der steife Kragen mit silbernen Blättern verziert, jedes eisengraue Haar auf seinem Kopf in korrekter Habtachtstellung. Sein Stabschef, Oberst Felnigg, saß kerzengerade aufgerichtet neben ihm, klein, flink, mit funkelnden Augen, denen keine Einzelheit entging, das Kinn unbequem hoch erhoben. Da er ein Mann mit auffällig wenig Kinn war, bildete sein Hals auf diese Weise beinahe eine gerade aufragende Linie, die von seinem Kragen bis zu den Öffnungen seiner Hakennase reichte. Wie ein überaus hochmütiger Geier, der auf einen Leichnam wartet, an dem er sich gütlich tun kann.
General Mitterick hätte ohne Zweifel eine ordentliche Mahlzeit abgegeben. Er war ein dicker Mann mit flächigem Gesicht, dessen Brauen, Augen, Nase, Lippen, Wangen allesamt übergroß wirkten, als wollten sie sich den Platz auf der Vorderseite seines Kopfes geradezu streitig machen. Wo Felnigg zu wenig Kinn besaß, hatte Mitterick zu viel, und die betreffende Gesichtspartie war von einer breiten, gnadenlosen Spalte durchzogen. Als ob ihm unter seinem prächtigen Schnurrbart ein Arsch gewachsen ist. Er trug abgewetzte Fehdehandschuhe aus Glattleder, die fast bis zu den Ellenbogen reichten und ihm vermutlich das Aussehen eines felderprobten Mannes verleihen sollten, aber Gorst musste eher an die Handschuhe denken, mit deren Hilfe ein Bauer einer Kuh mit Blähungen Erleichterung verschaffen mochte.
Mitterick betrachtete mit erhobener Augenbraue Gorsts schlammverdreckte Uniform. »Schon wieder neue Heldentaten, Oberst Gorst?«, fragte er und erntete für seine Bemerkung leises, gehässiges Gelächter.
Schieb es dir doch in deinen Kinn-Arsch, du blähungserleichternde Eitelkeitsblase. Die Worte kitzelten schon Gorsts Lippen. Doch bei seiner Falsettstimme würde immer er es sein, über den man lachte, ganz gleich, was er sagte. Lieber hätte er sich allein tausend Nordmännern gegenübergestellt, als dieses quälende Gespräch über sich ergehen zu lassen. Daher verwandelte er den ersten Laut in ein unbehagliches Grinsen und nahm seine Erniedrigung wie immer mit einem Lächeln hin. Er fand die düsterste Ecke des Raumes, verschränkte die Arme vor seiner beschmutzten Jacke und dämpfte seinen Zorn mit der Vorstellung, die hochnäsigen Köpfe von Mittericks Stabsoffizieren aufgespießt auf den Piken der Truppen des Schwarzen Dow zu sehen. Vielleicht kein besonders patriotisches Vergnügen, aber dennoch äußerst befriedigend.
Es ist eine verkehrte, blödsinnige Welt, in der solche Männer, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann, auf jemanden wie mich herabsehen können. Ich bin doppelt so viel wert wie sie alle zusammen. Und das sollen die Besten sein, die das Heer der Union zu bieten hat? Da verdienen wir die Niederlage.
»Man kann keinen Krieg gewinnen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.«
»Was?« Gorst warf einen missmutigen Blick zur Seite. Der Hundsmann lehnte in
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