Heldenklingen
geordnete Strukturen zurückzufinden. Felnigg bereitete es beinahe körperliche Schmerzen, dabei zuzusehen, wie schlampig man hier vorging. Er konnte sich knapp davor zurückhalten, sein Pferd zu zügeln, Befehle zu brüllen und dafür zu sorgen, dass man verdammt noch mal mit Ehrgeiz und Ordnung vorging. Ein wenig mehr Ordnung – war das in einem Heer vielleicht zu viel verlangt?
»Verdammter Jalenhorm«, zischte Felnigg. Der Mann war ein Witz, aber noch nicht mal ein lustiger. Sein Scharfsinn und seine Erfahrung hätten noch nicht einmal für einen Korporal gereicht, von einem General nicht zu reden, aber offenbar zählte es mehr, der alte Trinkkumpan des Königs zu sein, als wenn jemand auf lange Jahre kompetenter und engagierter Pflichterfüllung zurückblicken konnte. Ein Mann von geringerem Format wäre darüber vielleicht bitter geworden, aber Felnigg machte so etwas nur noch entschlossener. Kurz verlangsamte er seinen Ritt, um sich noch einen kleinen Schluck zu genehmigen.
Auf dem grasbewachsenen Hang zu seiner Rechten hatte es offenbar einen Unfall gegeben. Pioniere, die schützende Schürzen trugen, wuselten um zwei große Metallrohre und einen großen Fleck verkohlten Grüns herum. Am Straßenrand lagen Leichen aufgereiht, zugedeckt mit blutdurchtränkten Tüchern. Offenbar war das idiotische Experiment des Ersten der Magi ganz großartig schiefgegangen. Wenn sich der Geschlossene Rat direkt in die Kriegsführung einmischte, war fast immer eine große Zahl an Opfern die Folge, und zwar, nach Felniggs Erfahrung, selten auf gegnerischer Seite.
»Aus dem Weg!«, brüllte er und drängte sich durch eine zur Verpflegung beschlagnahmte Viehherde, die auf der Straße überhaupt nichts zu suchen hatte; einer der Viehtreiber sprang mit einem ängstlichen Satz aus dem Weg. Felnigg preschte durch Adwein, ein so elendiges Dorf, wie er selten eins gesehen hatte, und an diesem Tag wimmelte es dort noch dazu vor niedergeschlagenen Gesichtern, verletzten Soldaten und den dreckigen Überresten irgendwelcher Einheiten. Das nutzlose, selbstmitleidige Treibgut, das Mittericks gescheiterte Angriffe hier angespült hatten, das zur Hintertür seiner Division herausgekehrt worden war wie Mist aus einem Stall.
Zumindest war Jalenhorm, wenn er auch ein Riesendummkopf war, in der Lage, einen Befehl auszuführen. Mitterick hingegen war stets bemüht, sich aus seinen Verpflichtungen herauszuwinden und nach eigenem Gutdünken zu handeln. Unfähigkeit war unverzeihlich, aber Ungehorsam … war noch viel unverzeihlicher, verdammt. Wenn jeder tat, was ihm gerade einfiel, gab es keine Absprachen, keine Befehle, keine Ordnung. Dann gab es kein Heer, sondern nur einen riesigen Haufen Männer, die alle ihren persönlichen Launen nachgingen. Schon allein die Vorstellung ließ ih…
Unerwartet trat ein Dienstbote mit einem Eimer in der Hand aus einer Tür und versperrte ihm den Weg. Felniggs Pferd scheute, stieg vorn auf und hätte ihn beinahe aus dem Sattel geworfen.
»Aus dem Weg!« Ohne nachzudenken schlug Felnigg dem Mann seine Reitpeitsche ins Gesicht. Der Diener schrie auf und stürzte in die Gosse, während das Wasser aus seinem Eimer gegen die Wand spritzte. Felnigg gab seinem Pferd die Sporen und ritt weiter. Die Wärme, die der Branntwein in seinem Magen ausgelöst hatte, wich plötzlicher Kälte. Das hätte er nicht tun sollen. Er hatte sich von seinem Zorn überwältigen lassen, und diese Erkenntnis machte ihn nur noch wütender.
Mittericks Hauptquartier war noch unordentlicher als die ganze unordentliche Division. Offiziere rannten von einem Ort zum anderen, dass der Dreck nur so spritzte, und überschrien einander; stets wurde der lautesten Stimme gehorcht und der beste Vorschlag überhört. Der Befehlshaber bestimmte den Ton all seiner Untergebenen. Ein Hauptmann den seiner Kompanie, ein Major den seines Bataillons, ein Oberst den seines Regiments und Mitterick den der gesamten Division. Wenn ein Offizier schlampig war, waren es seine Untergebenen auch, und schlampige Kriegsführung führte zwangsläufig zu Niederlagen. Welcher Offizier wollte zulassen, dass in seinem Hauptquartier ein solches Chaos herrschte? Felnigg zügelte sein Pferd und marschierte direkt auf die Tür von Mittericks großem Zelt zu. Seine Missbilligung umgab ihn wie eine sichtbare Wolke und ließ ihn so gefährlich wirken, dass ihm die aufgeregten, jungen Adjutanten freiwillig aus dem Weg traten.
Innen herrschte noch einmal doppelt so viel
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