Heldenklingen
Weg durch das Gedränge vor dem Zelt und brüllte die Leute an, ihm Platz zu machen. Vor der Brücke, wo sich die Einheiten gerade auf den neuerlichen Angriff vorbereiteten, war ein etwas besseres Durchkommen. Die ganze Zeit über hielt Lederlingen die Zügel mit einer Hand, während die andere den Befehl umklammerte. Er hätte ihn in die Tasche stecken sollen, da er ihm beim Reiten im Weg war, aber er hatte zu viel Angst, ihn zu verlieren. Ein Befehl von Lord Marschall Kroy persönlich. Das war genau das, worauf er gehofft hatte, als er sich mit leuchtenden Augen zum Dienst an der Waffe gemeldet hatte. War das wirklich erst drei Monate her?
Jetzt war er an Mittericks Division zum größten Teil vorüber, und der Lärm der Truppe hinter ihm wurde allmählich leiser. Er trieb sein Pferd an, beugte sich weit bis zum Hals des Tiers hinunter und sprengte den schlecht befestigten Weg hinab, der von der Alten Brücke in die Sümpfe führte. Leider würde er das Pferd bei den Außenposten zurücklassen müssen, um das Moor zu Fuß zu durchqueren und Vallimir den Befehl zu bringen. Wenn er nur nicht danebentrat und den Befehl stattdessen bei Klige ablieferte.
Der Gedanke ließ ihn erschauern. Sein Cousin hatte ihn davor gewarnt, sich freiwillig zu melden. Der hatte ihm gesagt, dass in Kriegen die übliche Ordnung auf den Kopf gestellt war und gute Männer nicht nur schlecht, sondern richtig schlecht zurechtkamen. Der hatte ihm gesagt, dass es in Kriegen nur um die Ziele der Reichen und die Gräber der Armen ging, und dass in der Kompanie, in der er selbst gedient hatte, keine zwei ehrlichen Kerle zu finden gewesen waren, die auch nur einen Funken Anstand im Leib gehabt hätten. Dass Soldaten allesamt Feiglinge, Angeber, Rüpel oder Diebe waren. Lederlingen war davon ausgegangen, dass sein Cousin übertrieb, um sich wichtig zu machen, aber inzwischen musste er einräumen, dass sein Verwandter noch untertrieben hatte. Vor allem Korporal Tunny machte den Eindruck, gleichermaßen ein Feigling, Angeber, Rüpel und Dieb zu sein; ein Schurke, wie er im Buche stand, aber ausgerechnet ihn schienen die anderen Männer als Held zu feiern. Ein Hoch auf den guten, alten Korporal Tunny, den schäbigsten Betrüger und Drückeberger der ganzen Division!
Der steinige Pfad wurde nun immer schmaler und schlängelte sich durch einen Hohlweg an einem Bach entlang. Es war vielmehr ein breiter Graben voller nasser Erde, überwölbt von Bäumen, deren Zweige sich unter der Last roter Beeren beugten. Es roch nach Fäulnis, doch eine schnellere Gangart als ein holpriger Trott war nicht möglich. Das Soldatenleben führte einen Mann wirklich an wunderschöne und exotische Orte.
Lederlingen stieß einen schweren Seufzer aus. Im Krieg war tatsächlich die übliche Ordnung auf den Kopf gestellt, und er sah inzwischen durchaus ein, dass sein Cousin mit seiner Vermutung Recht gehabt hatte: In der Welt des Krieges fand Lederlingen keinen Platz. Er würde sich möglichst unauffällig verhalten, allem Ärger aus dem Weg gehen und Tunnys Ratschlag beherzigen, sich niemals freiwill…
»Ah!« Eine Wespe hatte ihn ins Bein gestochen. Oder zumindest dachte er das zunächst, obwohl der Schmerz dafür eigentlich zu heftig war. Als er an sich hinuntersah, steckte ein Pfeil in seinem Schenkel. Er starrte ihn an. Ein langer, gerader Schaft mit grauweißer Befiederung. Ein Pfeil. Er fragte sich kurz, ob ihn jemand zum Besten halten wollte. Ein falscher Pfeil. Es hatte so viel weniger wehgetan, als er vermutet hätte. Aber da sickerte Blut in seine Hosen. Es war ein echter Pfeil.
Jemand schoss auf ihn!
Er schlug dem Pferd die Hacken in die Weichen und schrie. Jetzt tat der Pfeil auch richtig weh. Es schmerzte, als hätte man ihm einen brennenden Pflock durchs Bein getrieben. Sein Reittier ruckte auf dem unebenen Pfad nach vorn, ihm glitten die Zügel aus der Hand, dann wurde er kurz im Sattel hochgeschleudert und die Hand, die den Befehl festhielt, wedelte durch die Luft. Dann traf er auf den Boden auf. Seine Zähne schlugen aufeinander, vor seinen Augen drehte sich alles, und er überschlug sich.
Mühsam rappelte er sich auf, und der Schmerz in seinem Bein ließ ihn aufschluchzen. Hinkend und hüpfend versuchte er, seine Sachen wieder einzusammeln. Es gelang ihm, sein Schwert zu ziehen. Hinter ihm auf dem Weg waren zwei Männer . Nordmänner. Einer ging entschlossen auf ihn zu, ein Messer in der Hand. Der andere hielt einen Bogen hoch erhoben.
»Hilfe!«,
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