Heldenklingen
erwischt, wie Finree erkannte.
Ein Schrei erhob sich über den Lärm. »Über uns!«
Die Wilden waren irgendwie auf die Galerie gelangt und beschossen die Menschen unten mit Pfeilen. Gleich neben Finree fiel ein Offizier mit einem Schaft im Rücken gegen einen Tisch, riss im Sturz einen Wandbehang mit sich, und sein langes Eisen fiel ihm klappernd aus der schlaff herunterhängenden Hand. Bebend streckte sie die Hand aus und zog sein kurzes Eisen aus der Scheide, trat hurtig wieder zurück an die Wand und versteckte die Waffe in den Falten ihres Rocks. Als ob sich in dieser Lage irgendjemand über einen solchen Diebstahl aufgeregt hätte.
Die Tür flog auf, und aus allen Teilen des Gasthofs drangen nun die Wilden in den Saal. Sie hatten offenbar den Innenhof eingenommen und die Wächter getötet. Die Männer, die eben noch versucht hatten, die Angreifer von den Fenstern zurückzutreiben, fuhren herum, die erstarrten Gesichter von Entsetzen gezeichnet.
»Der Lord Statthalter!«, kreischte jemand. »Schützen Sie seine Exzel …« Der Rest des Satzes ging in einem schniefenden Heulen unter.
In dem Gewühl ging es nun völlig drunter und drüber. Die Offiziere kämpften hart um jeden Zoll Boden, aber sie verloren, wurden mit grimmiger Entschlossenheit in eine Ecke gedrängt und einer nach dem anderen getötet. Finree wurde gegen die Wand geschoben, vielleicht aus letzter Ritterlichkeit, wahrscheinlich aber lediglich aus Zufall, weil es sich im Kampf so ergab. Neben ihr war Aliz, bleich und schluchzend. Auf ihrer anderen Seite stand Lord Statthalter Meed, der in kaum besserer Verfassung war. Sie bekamen immer wieder Stöße und Tritte von den Männern, die direkt vor ihnen standen und hoffnungslos ums Überleben kämpften.
Finree konnte kaum über die gerüstete Schulter eines Wächters blicken, bis er fiel und ein Wilder in die Lücke drängte, ein schartiges Eisenschwert in der Faust. Sie erhaschte einen schnellen, deutlichen Blick auf sein Gesicht. Hager, gelbes Haar, Knochensplitter im äußeren Rand einer Ohrmuschel.
Meed hob die Hand und sog hart die Luft ein. Vielleicht wollte er sprechen, schreien oder betteln. Das gezackte Schwert erwischte ihn zwischen Hals und Schlüsselbein. Er machte einen wankenden Schritt, verdrehte die Augen zur Decke, bis das Weiße sichtbar wurde, seine Zunge quoll aus dem Mund, und seine Finger zupften an der gezackten Wunde, bis Blut zwischen ihnen hervordrang und die zerfetzten Tressen seiner Uniform herunterlief. Dann kippte er vornüber, riss dabei einen Tisch mit und schleuderte das Möbelstück fast in die Luft. Ein Stapel Papiere verteilte sich über seinem Rücken.
Aliz stieß erneut einen durchdringenden Schrei aus.
Finree ging ein Gedanke durch den Kopf, als sie Meeds Leiche anstarrte: dass das alles ihre Schuld gewesen sein mochte. Dass die Schicksalsgöttinnen ihr damit ihre Rache gewährten. Es erschien etwas übertrieben, um es vorsichtig auszudrücken. Sie wäre mit wesentlich weniger Aufwand zufrieden gewes…
»Ah!« Jemand packte sie am Arm und drehte ihn schmerzhaft um. Sie starrte in ein lüstern grinsendes Gesicht mit einem Mund voller spitz zugefeilter Zähne; die pockennarbige Wange daneben war mit einem blauen Handabdruck und roten Flecken bemalt.
Sie schob den Mann beiseite, und er schrie laut auf; erst jetzt wurde ihr klar, dass sie das kurze Eisen in der Hand hielt und es ihm in die Rippen gestoßen hatte. Er drängte sie gegen die Wand und riss ihr den Kopf hoch. Endlich bekam sie das Eisen wieder frei, ganz feucht jetzt, und es gelang ihr, die Waffe zwischen sich und den Angreifer zu bringen. Sie keuchte, als sie die Spitze unterhalb des Kinns in seinen Kopf stieß. Und dann sah sie, wie die Haut über der blauen Wange sich durch das Metall dahinter leicht ausbeulte.
Der Wilde stolperte zurück, eine Hand suchte nach dem blutigen Griff unter seinem Kinn, und sie lehnte sich keuchend gegen die Wand. Ihre Knie zitterten so stark, dass sie kaum noch stehen konnte. Plötzlich fühlte sie, wie ihr der Kopf zurückgerissen wurde, und ein scharfer Schmerz fuhr durch ihre Kopfhaut, ihren Hals. Sie schrie und verstummte, als ihr Schädel gegen die …
Kurz war alles gleißend hell.
Der Boden traf sie hart an der Seite. Stiefel scharrten und knirschten.
Finger um ihren Hals.
Sie bekam keine Luft, zerrte mit ihren Nägeln an der Hand, den eigenen hämmernden Herzschlag dröhnend laut in den Ohren.
Ein Knie drückte gegen ihren Bauch und schmetterte sie
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