Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
konnte. Es sah aus wie ein Befehl, aber von einem Vallimir hatte er noch nie etwas gehört. Ein Angriff auf die Alte Brücke. Das war ja nichts Neues. Er wollte das Schreiben schon wegwerfen, als sein Blick auf die zweite Notiz darunter fiel, die in einer unregelmäßigeren, geneigten Handschrift verfasst worden war.
    Stellen Sie sicher, dass der Feind voll und ganz in die Kämpfe verwickelt ist, bevor Sie den Bach überqueren, und in der Zwischenzeit achten Sie darauf, dass Ihre Position an seiner Flanke unentdeckt bleibt. Meine Männer und ich geben alles. Ich werde nicht zulassen, dass sie im Stich gelassen werden.
    General Mitterick, Zweite Division.
    Mitterick. Den Namen hatte Dow erwähnt. Einer der Generäle der Union. Angeblich schlau und rücksichtslos. Meine Männer und ich geben alles? Was für ein aufgeblasener Idiot. Aber er befahl einen Angriff über einen Bach. An der Flanke. Calder runzelte die Stirn. Nicht am Fluss. Und nicht an der Brücke. Sinnend ließ er den Blick über das Gelände schweifen. Fragte sich, wo sich Soldaten verbergen konnten, für die ein solcher Befehl sinnvoll war.
    »Bei den Toten«, flüsterte er. Es waren Unionisten im Wäldchen dort im Westen, bereit, den Back zu überqueren und ihnen jeden Augenblick in die Seite zu fallen. So musste es sein!
    »Ist also doch was wert?«, fragte Hohl mit breitem Grinsen.
    Calder hörte ihn kaum. Er schob die beiden Mörder beiseite und eilte die kleine Anhöhe im Westen hinauf, schob sich an den grimmig dreinblickenden Männern vorüber, die an Clails Mauer lehnten, um einen Blick auf den Bach zu erhaschen.
    »Was ist denn?«, fragte Weißauge, der sein Pferd auf der anderen Seite der Trockensteinmauer zügelte.
    Calder zog das angeschlagene Fernrohr auseinander, das sein Vater früher schon benutzt hatte, und spähte nach Westen, den Hügel mit seinen alten Baumstümpfen hinauf, an den verfallenen Holzfällerhütten entlang und hinauf zum Schatten der Bäume, die sich weiter oben am Hang erhoben. Wimmelte es dort vor Unionisten, die nur darauf warteten, zum Angriff zu blasen, sobald er sich bewegte? Von Männern war dort nichts zu sehen. Nicht einmal das kleinste Aufblitzen von Stahl zwischen den Bäumen. Konnte das ein Trick sein?
    Sollte er sein Versprechen halten, seinem Bruder zu Hilfe kommen und dabei riskieren, dass er dem Feind den blanken Arsch des ganzen Heeres darbot? Oder sollte er hinter der Mauer bleiben, sodass Scale derjenige war, dem der frische Wind um die nackten Hinterbacken fuhr? Das wäre das Sicherste, oder nicht? Die Stellung halten. Die Katastrophe abwehren. Oder sagte er sich selbst nur das, was er gern hören wollte? War er erleichtert über die Möglichkeit, dem Kampf aus dem Weg zu gehen? Der Möglichkeit, seinen blöden großen Bruder loszuwerden? Lügner, Lügner. Mittlerweile wusste er nicht einmal mehr selbst so recht, wann er die Wahrheit sagte.
    Verzweifelt wünschte er sich irgendjemanden herbei, der ihm sagen würde, was zu tun sei. Wie gern hätte er jetzt Seff an seiner Seite gehabt; sie hatte stets kühne Ideen. Sie war tapfer. Calder war nicht dafür geschaffen, jemandem zu Hilfe zu kommen. Hinter den Linien bleiben, das war mehr sein Stil. Die eigene Haut retten. Gefangene töten. Natürlich nicht mit eigenen Händen, aber per Befehl. Vielleicht, wenn er sich besonders abenteuerlustig fühlte, ein paar Frauen flachlegen, während ihre Männer auf einem Feldzug waren. Aber eine Situation wie diese überforderte ihn. Was zur Hölle sollte er tun?
    »Was ist los?«, fragte Schneebleich. »Die Männer sind …«
    »Die Union ist in dem Wäldchen dort auf der anderen Seite des Bachs!«
    Schweigen breitete sich aus, und Calder merkte, dass er wesentlich lauter gesprochen hatte, als es eigentlich seine Absicht gewesen war.
    »Die Union ist dort drüben? Bist du sicher?«
    »Wieso sind sie dann nicht schon längst vorgerückt?«, wollte Weißauge wissen.
    Calder hielt das Schreiben in die Höhe. »Weil ich ihre Befehle habe. Aber sie werden neue bekommen.«
    Er hörte das Raunen der Carls um ihn herum. Er wusste, dass die Neuigkeit nun von Mann zu Mann weitergegeben wurde. Vielleicht war das gar nicht verkehrt. Wahrscheinlich hatte er deswegen so gebrüllt.
    »Was machen wir dann also?«, zischte Weißauge. »Scale wartet auf Hilfe!«
    »Das weiß ich ja wohl, oder nicht? Niemand weiß das besser als ich!« Calder sah mit gerunzelter Stirn zu den Bäumen, und seine freie Hand öffnete und schloss sich

Weitere Kostenlose Bücher