Heldenklingen
nein!«
»Doch. Kommt mal ran, Jungs!«
Und sie kamen. Vier insgesamt. Neue Rekruten, nach ihrem Aussehen zu urteilen direkt vom Schiff aus Midderland, wo sie am Kai von ihrer Mammi oder ihrer Liebsten oder vielleicht auch von beiden verabschiedet worden waren. Mit neuen, frisch gebügelten Uniformen, polierten Riemen, schimmernden Gürtelschnallen; sprich, bereit für das edle Soldatenhandwerk. Forest deutete auf Tunny wie auf eine Jahrmarktsattraktion und spulte dieselbe kleine Ansprache ab, die er bei solchen Anlässen immer vorzutragen pflegte.
»Jungs, vor euch steht der berühmte Korporal Tunny, einer der ältesten altgedienten Unteroffiziere in General Jalenhorms Division. Ein Veteran des Aufstands in Starikland, des Gurkhisenkriegs, des letzten Nordlandkriegs, der Belagerung von Adua, dieser gegenwärtigen Unannehmlichkeit und zahlreichen soldatischen Unternehmungen zu Friedenszeiten, die einen helleren Kopf zu Tode gelangweilt hätten. Er hat vieles überlebt, Dünnpfiff, Wundbrand, laufenden Rotz, Herbstfrösteln, die Liebkosungen der Winde im Norden, die Knüffe der Mädchen im Süden, Tausendmeilenmärsche, über viele Jahre auch die Rationen im Heer Seiner Majestät und sogar ein paar Kämpfe. Und nun steht – oder vielmehr sitzt – er vor euch. Viermal war er schon Feldwebel Tunny, einmal sogar Streifenfeldwebel Tunny, aber wie eine Brieftaube, die immer wieder zu ihrem bescheidenen heimischen Käfig zurückkehrt, ist er jedes Mal wieder auf seinen alten Rang zurückgefallen. Im Augenblick hat er die Position eines Standartenträgers im Ersten Kavallerieregiment Seiner Erhabenen Majestät inne. Damit ist er verantwortlich«, Tunny stöhnte beim bloßen Klang dieses Wortes gequält auf, »für die Meldereiter des Regiments, denen die Aufgabe obliegt, Nachrichten zu und von unserem höchst bewunderten Vorgesetzten, Oberst Vallimir, zu überbringen. Und genau da kommen Sie ins Spiel, meine Herren.«
»Oh, verdammt noch mal, Forest.«
»Oh, verdammt noch mal, Tunny. Wieso stellen Sie sich dem Korporal nicht einfach mal vor, meine Herren?«
»Klige.« Mit rundlichem Gesicht, das eine Auge durch ein Gerstenkorn fast völlig zugeschwollen, den Gurt verkehrt herum am Leib.
»Was waren Sie früher von Beruf, Klige?«, fragte Forest.
»Wollte Weber werden, Herr Feldwebel. War aber nur einen knappen Monat in der Lehre, als mich mein Meister dem Anwerber verkauft hat.«
Tunny verzog das Gesicht erneut. Für den Nachschub, der in letzter Zeit bei ihnen eintraf, war selbst der Ausdruck Bodensatz noch viel zu gut.
»Werth.« Der Nächste war ausgemergelt und knochig; seine Haut hatte einen ungesunden, grauen Schimmer. »Ich war in der Miliz, und meine Kompanie wurde aufgelöst; daher wurden wir alle eingezogen.«
»Lederlingen.« Eine hochgewachsene Gestalt mit langen Armen und Beinen und einem besorgten Gesichtsausdruck. »Ich war Schuster.« Über die Art und Weise, wie er in die Fänge der Königstreuen geraten war, sagte er weiter nichts, und Tunnys Kopf schmerzte zu sehr, als dass er hätte nachbohren wollen. Der Mann war ja nun einmal hier, zum Unglück aller Beteiligten.
»Dotter.« Ein kurzbeiniger Bursche mit Sommersprossen, der durch den großen Rucksack auf seinem Rücken noch kleiner wirkte. »Angeblich hab ich geklaut, aber das ist nicht wahr. Der Richter hat dann gesagt, entweder ich geh hierher, oder ich komm für fünf Jahre ins Gefängnis.«
»Wahrscheinlich werden wir diese Wahl noch alle bedauern«, brummte Tunny, obwohl der Mann als Dieb vermutlich der Einzige war, mit dessen Fähigkeiten sich hier etwas anfangen ließ. »Wieso heißen Sie Dotter?«
»Äh … ich weiß nicht. Mein Vater hieß wohl so … nehm ich an.«
»Halten Sie sich für das Gelbe vom Ei, Dotter?«
»Na ja …« Der Rekrut warf einen zweifelnden Blick auf seine Nachbarn. »Eigentlich nicht.«
Tunny schielte ihn an. »Ich behalte Sie im Auge, Bursche.« Dotter fand das offenbar höchst ungerecht, nach seiner bebenden Unterlippe zu schließen.
»Meine Herren, Sie halten sich am besten schön an Korporal Tunny. Er wird schon dafür sorgen, dass Sie nicht in Gefahr geraten.« Forest lächelte auf eine Weise, die schwer zu deuten war. »Wenn es je einen Soldaten gab, der sich darauf verstand, nicht in Gefahr zu geraten, dann Korporal Tunny. Nur Karten spielen darf man nicht mit ihm!«, brüllte er über seine Schulter hinweg, während er bereits auf die zerlumpten Leinwandfetzen zuhielt, die in ihrem Lager als
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