Heldenklingen
Schicksal entschied – und das bedeutete höchstwahrscheinlich ebenfalls den Strick. Vielleicht zündete er sie davon abgesehen auch noch an. Seltsam, dass man Männer für Diebstahl einsperrte, wo doch das ganze Heer von Plünderungen lebte. Und dass man Männer für Mord aufknüpfte, wo sie doch alle einem tödlichen Geschäft nachgingen. Wie bestimmte man, was ein Verbrechen war – in einer Zeit, in der Männer sich nahmen, was ihnen gefiel, woher auch immer?
»Dow will dich sehen.« Spaltfuß stand mit finsterem Gesicht unter dem Torbogen der Ruine. Er war stets ein schlecht gelaunter Drecksack gewesen, aber heute sah er besonders grantig aus. »Da drin.«
»Willst du mein Schwert?« Kropf zog es vorsorglich aus der Scheide.
»Nicht nötig.«
»Nein? Seit wann hat der Schwarze Dow den Leuten je vertraut?«
»Den Leuten nicht, aber dir.«
Kropf war sich nicht sicher, ob das als gutes Zeichen zu werten war. »Na schön.«
Espe wollte ihm folgen, aber Spaltfuß hielt ihn mit einer Hand zurück. »Nach dir hat Dow nicht gefragt.«
Kropfs Blick huschte kurz über Espes zusammengekniffenes Auge, dann zuckte er die Achseln und duckte sich durch den efeuberankten Durchgang. Dabei fühlte er sich, als würde er den Kopf in einen Wolfsrachen stecken, und er fragte sich unwillkürlich, wann wohl die Zähne zuschnappen würden. Ein schmaler Gang voller Spinnenweben, in dem laut Wasser tropfte, führte zu einer offenen Fläche voller Brombeerranken, die von geborstenen Pfeilern gesäumt wurde. Einige stützten noch Gewölbeteile, aber das Dach war schon lange eingefallen, und die Wolken über ihnen zeigten kleine hellblaue Lücken. Dow saß an der gegenüberliegenden Wand des ehemaligen Saales auf Skarlings Thron und spielte mit dem Knauf seines Schwertes. Neben ihm saß Caul Reichel und kratzte sich die weißen Bartstoppeln.
»Wenn ich dir den Befehl dazu gebe«, sagte Dow gerade, »dann ziehst du los. Marschiere mit allem, was du hast, gegen Osrung. Dort sind sie schwach.«
»Woher weißt du das?«
Dow zwinkerte. »Ich habe meine Mittel und Wege, das herauszufinden. Sie haben zu viele Leute für das bisschen Straße, und sie haben sich beeilt, um hierherzugelangen, also sind ihre Reihen ausgedünnt. In der Stadt sind nur ein paar Berittene und einige Jungs vom Hundsmann. Vielleicht werden noch ein paar Fußtruppen eintreffen, bevor wir angreifen, aber nicht genug, um dich aufzuhalten, wenn du dir auch nur ein klitzekleines bisschen Mühe gibst.«
»Oh, ich gebe mir schon Mühe«, sagte Reichel. »Da mach dir mal keine Sorgen.«
»Tue ich nicht. Deswegen übernimmst du ja die Führung. Ich will, dass deine Trupps meine Standarte tragen, schön deutlich sichtbar an vorderster Front. Außerdem Goldings und Eisenkopfs und deine eigene. So, dass alle sie sehen können.«
»Damit sie glauben, nun käme unsere große Streitmacht.«
»Mit etwas Glück ziehen sie dafür Leute von den Helden ab und lassen die Steine weniger gedeckt zurück. Wenn sie sich dann im offenen Gelände zwischen Berg und Stadt befinden, lasse ich Goldings Jungs los, damit sie ihnen richtig den Arsch aufreißen. Währenddessen greife ich mit Eisenkopf und Zehnweg die Helden mit voller Wucht an.«
»Hast du einen besonderen Plan?«
Dow ließ sein hungriges Grinsen sehen. »Wir stürmen den Berg hinauf und bringen alles um, was lebt.«
»Sie werden Zeit gehabt haben, sich da oben einzurichten, und das ist ein unangenehmes Gelände für einen Angriff. Dort werden sie am stärksten sein. Wir könnten sie umgehen …«
»Stark ist hier.« Dow bohrte sein Schwert in den Boden vor Skarlings Thron. »Und am schwächsten hier.« Damit tippte er sich mit einem Finger gegen die Brust. »Wir haben sie monatelang umschlichen, und sie werden keinen Frontalangriff von uns erwarten. Wir knacken sie bei den Helden, wir knacken sie hier«, nun schlug er sich gegen die Brust, »und der Rest fällt von selbst zusammen. Dann kann Golding nachrücken und sie, wenn es nötig wird, bis zu den Untiefen zurücktreiben. Bis nach Adwein. Scale sollte inzwischen auf der rechten Flanke bereitstehen und versuchen, die Alte Brücke einzunehmen. Wenn du dich in Osrung breit machst, dann haben wir uns das beste Gelände gesichert, wenn der Rest der Union morgen eintrifft.«
Reichel erhob sich langsam. »Da hast du Recht, Häuptling. Wir werden den Tag rot färben. Einen Tag, von dem später die Lieder erzählen werden.«
»Scheiß auf die Lieder«, sagte Dow und stand
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