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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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waren stehen geblieben und hatten die Bedrohung bemerkt, die sich von links näherte; sie versuchten verzweifelt, sich zu einer Gefechtslinie zu formieren. Es war eine üble Lage für das Rostod-Regiment – es war in Unterzahl, nicht für eine Schlacht aufgestellt und ungeschützt auf offenem Gelände erwischt worden.
    »Halt!«, brüllte Lasmark und rannte einen Schritt weiter ins Korn hinein, dann wirbelte er herum und breitete die Arme vor seinen Männern aus. »Aufstellung! Augen nordwärts!« Das war jetzt doch das Beste, oder? Was blieb ihnen sonst übrig? Seine Soldaten fanden sich zu einer Formation zusammen, die wie ein demoliertes Wagenrad aussah, und während einige Gesichter einigermaßen gefasst wirkten, war anderen die Panik anzusehen, als sie ihre Positionen einnahmen.
    Lasmark zog seinen Säbel. Die Waffe war ein Schnäppchen gewesen, und sie war schon beinahe eine Antiquität; der Griff klapperte stets ein wenig. Er hatte weniger dafür bezahlt als für den Hut, der zu seiner Galauniform gehörte. Das erschien ihm jetzt keine gute Entscheidung. Aber ein Säbel sah ziemlich aus wie der andere, und Major Popol hatte sich sehr klar und deutlich ausgedrückt, welches Erscheinungsbild er von seinen Offizieren bei der Parade erwartete. Leider waren sie jetzt nicht bei einer Parade. Lasmark warf einen Blick über die Schulter und merkte, dass er sich so heftig auf die Lippe gebissen hatte, dass er Blut schmeckte. Die Nordmänner kamen schnell näher. »Bogenschützen! Bogen spannen! Speerwerfer, zu den …«
    Ihm blieben die Worte in der Kehle stecken. Hinter einem Dorf auf der linken Seite brach plötzlich eine Reiterstaffel hervor. Eine recht große, die direkt gegen ihre Flanke vorstieß, während die Pferdehufe eine dicke Staubwolke aufwirbelten. Er hörte, wie seine Leute erschreckt die Luft einsogen, und er fühlte, wie die sorgenvolle Stimmung in blankes Entsetzen umschlug.
    »Ruhig bleiben!«, brüllte er, aber seine Stimme schwankte ebenfalls. Als er sich umwandte, hatten schon die ersten Männer die Flucht ergriffen. Obwohl es keine Fluchtmöglichkeit gab. Obwohl ihre Überlebenschancen so gering waren, als wenn sie sich für den Kampf entschieden hätten. Offenbar hatten sie sich keine Zeit genommen, ihre Lage sorgfältig abzuwägen. Er sah, dass auch die anderen Kompanien auseinanderfielen und sich zerstreuten. Dann entdeckte er Major Popol, der im Sattel auf und ab wippte, während er in vollem Galopp dem Fluss entgegenpreschte und sich offenbar nicht mehr im Geringsten für irgendein Erscheinungsbild interessierte. Hätte man als einfacher Hauptmann auch ein Pferd besessen, vielleicht wäre Lasmark in diesem Augenblick an seiner Seite gewesen. Aber ein Hauptmann hatte kein Pferd. Nicht im Rostod-Regiment. Er hätte sich wirklich für ein Regiment melden sollen, bei dem auch ein Hauptmann sein Pferd bekam, aber selbst dann hätte er sich keins leisten können. Er hatte sich schon das Geld für sein Offizierspatent zu einem unglaublichen Zinssatz leihen müssen, und danach war absolut nichts übrig gewesen …
    Die Nordmänner waren bereits entsetzlich nahe und brachen nun durch eine Hecke. Er konnte die Gesichter der Angreifer erkennen. Fauchende, schreiende, grinsende Gesichter. Wie Tiere, aber mit hoch erhobenen Waffen, stürmten sie durch das Kornfeld. Lasmark machte unwillkürlich einige Schritte zurück. Korporal Lock stand neben ihm, die Zähne fest zusammengebissen.
    »Scheiße, Herr Hauptmann«, stieß er hervor.
    Lasmark konnte nur schlucken und sich selbst innerlich auf den Kampf vorbereiten, während seine Männer um ihn herum die Waffen fallen ließen, sich umwandten und zum Hügel oder zum Fluss hinüberrannten – beides viel, viel zu weit weg. Während sich die mühsam formierte Reihe seiner Kompanie und der daneben in Wohlgefallen auflösten, blieben nur einige kleine Grüppchen besonders verwirrter oder besonders hart gesottener Männer zurück, um sich den Nordmännern entgegenzustellen. Inzwischen sah Lasmark, wie viele es waren. Hunderte. Viele, viele Hunderte. Ein heranfliegender Speer durchbohrte mit einem derben Aufschlag den Mann neben ihm, der schreiend zu Boden ging. Lasmark starrte ihn einen Augenblick an. Stelt. War mal Bäcker gewesen.
    Mit offenem Mund beobachtete er die herannahende Woge schreiender Männer. Natürlich hört man immer wieder von solchen Situationen, aber man glaubt eben nicht, je selbst in eine solche hineinzugeraten. Man glaubt, dazu viel zu

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