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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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wichtig, alles andere spielt keine Rolle.«
    »Jawohl, Korporal.« Rose beugte sich wieder über seinen Bogen, zwar immer noch bleich, aber wieder ganz konzentriert.
    »Spannen, Jungs, spannen!« Gaunt drehte seine Kurbel mit wohlbemessener Geschwindigkeit, die Waffe gut geölt, sauber und einsatzbereit. Er drehte nicht zu schnell, nicht zu langsam und stets darauf bedacht, seine Arbeit gut und richtig zu machen. Als er einen neuen Bolzen aus dem Köcher fischte, zog er ein besorgtes Gesicht; er hatte nicht einmal mehr zehn Schäfte. »Was ist mit der Munition?«, brüllte er über die Schulter, dann wieder an seine eigenen Leute gewandt: »Sucht euch ein Ziel, sauber und sorgsam!« Dann erhob er sich, richtete den Flachbogen aus und drückte die Gabel gegen seine Schulter.
    Der Anblick, der sich unter ihm bot, ließ selbst einen Mann seiner Erfahrung kurz innehalten. Die vordersten Nordmänner hatten den Hügel erreicht und stürmten nun hinauf. Zwar wurden sie auf dem Abhang langsamer, aber sie kamen nicht ins Stocken. Ihre Schlachtrufe wurden bedenklich lauter, als er sich hinter der Mauer erhob, und das vage Schreien verwandelte sich in schrilles Geheul.
    Er bleckte die Zähne und zielte tief. Drückte den Abzug, fühlte den Rückstoß und hörte die Sehne schnurren. Dieses Mal sah er, wohin der Bolzen flog; er prallte direkt auf einen Schuld und warf den Mann, der ihn trug, auf den Rücken. Mit einem Rasseln und Krachen lösten sich noch mehr Bögen zu seiner Linken, und zwei oder drei Nordmänner gingen zu Boden. Einer wurde im Gesicht getroffen, kippte nach hinten, und seine Axt wirbelte in den blauen Himmel.
    »Das ist das richtige Rezept, Jungs, immer schön weiter schießen! Einfach spannen und …« Neben ihm ertönte ein lautes Klacken. Gaunt spürte einen brennenden Schmerz im Hals, und dann sickerte alle Kraft aus seinen Beinen.
    Es war ein Unfall, da gab es keinen Zweifel. Rose hatte schon seit einer Woche oder länger an dem wackelnden Spannhebel seines Flachbogens herumgefummelt, weil er fürchtete, die Waffe könnte im falschen Augenblick losgehen, aber er hatte nie ein gutes Händchen für solche Vorrichtungen gehabt. Wieso ausgerechnet er den Posten eines Bogenschützen bekommen hatte, war ihm selbst unverständlich. Er wäre mit einem Speer besser bedient gewesen. Vor allem für Korporal Gaunt wäre es wesentlich besser gewesen, wenn er einen bekommen hätte, das stand jetzt unumstößlich fest. Der Flachbogen ging los, als Rose ihn aufhob, und die Spitze der Metallschiene hinterließ einen langen Kratzer auf seinem Arm. Er fluchte über die Verletzung, dann sah er zur Seite: Der Bolzen steckte in Gaunts Hals.
    Sie starrten einander kurz an, dann verdrehte Gaunt die Augen, bis er schielte, ließ seinen eigenen Bogen fallen und griff sich an den Hals. Seine bebenden Finger zeigten Blutspuren. »Gurgh«, sagte er. »Bwüder.« Seine Lider flatterten. Unvermittelt brach er zusammen, und als er mit dem Schädel gegen die Mauer krachte, schob sich sein Helm halb über sein Gesicht.
    »Gaunt? Korporal Gaunt?« Rose schlug ihm leicht gegen die Wange, als wollte er ihn wecken, weil er außer der Reihe ein Schläfchen hielt, und schmierte ihm dabei Blut übers Gesicht. Es floss immer mehr und mehr Blut. Aus seiner Nase, und aus dem kleinen Stich, wo der Bolzen in seinen Hals gedrungen war. Ölig dunkel, fast schwarz, während seine Haut extrem weiß wirkte.
    »Er ist tot!« Rose wurde hochgerissen und gegen die Mauer gestoßen. Jemand schob ihm den ungespannten Flachbogen wieder in die blutigen Hände. »Schießen Sie, verdammt noch mal! Schießen Sie!« Ein junger Offizier, einer von den Neuen. Rose wusste seinen Namen nicht mehr. Er konnte sich kaum noch an seinen eigenen erinnern.
    »Was?«
    »Schießen Sie!«
    Rose bewegte seine Spannkurbel und war sich undeutlich bewusst, dass die anderen Männer um ihn herum dasselbe taten. Sie schwitzten, mühten sich ab, fluchten, beugten sich über die Mauer und schossen. Er hörte die Schreie von Verwundeten, und darüber legte sich ein seltsames Geheul. Mit unsicheren Fingern zog er einen Bolzen aus dem Köcher, nockte ihn ein und fluchte über seine zitternden Hände, die noch rosa verschmiert waren von Gaunts Blut.
    Er weinte. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Seine Hände fühlten sich kalt an, obwohl es nicht kalt war. Ihm klapperten die Zähne. Der Mann neben ihm warf seinen Bogen weg und rannte zur Spitze des Hügels. Viele Männer flüchteten ungeachtet

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