Heldensabbat
anvertrauen.«
»Eine solche Äußerung sieht Ihnen ähnlich, Herr Dr. Hartwig!« brüllt der Oberstaatsanwalt. »Das ist typisch für Sie. Immer wieder fallen Sie durch Bemerkungen auf, die auf Ihre staatsfeindliche Gesinnung schließen lassen.«
»Meine Herren«, wirft der Vorsitzende ein, »ich möchte Sie doch bitten, Differenzen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fall Kahlert stehen, außerhalb des Gerichtssaals auszutragen.«
»Das gehört in den Gerichtssaal«, tobt Rindsfell weiter. »Das gehört vielleicht sogar schon auf die Anklagebank. Ich warne Sie zum letzten Mal, Dr. Hartwig, treiben Sie Ihre Hetze gegen Führer und Reich und gegen die Rechtsauffassung unseres Ordnungsstaates nicht auf die Spitze!«
Der Vorsitzende unterbricht die Sitzung und beraumt die Fortsetzung auf den Nachmittag an. Die Zuhörer schütteln den Kopf. Rindsfell muß sich eingestehen, daß er über das Ziel hinausgeschossen ist. Er packt seine Unterlagen zusammen und verläßt zornig den Gerichtssaal. Alles nur, weil die Politische Polizei sich Schlafmützen über den Kopf gezogen hat. Wenn Panofsky nicht in Mainbach ist, unternimmt dieser Bruckmann auch schon gar nichts mehr gegen Hartwig.
Rindsfell will ihn anrufen, aber dann entschließt er sich, selbst im Alten Rathaus vorzusprechen. Er ist so in Rage, daß er im ersten Moment in seinem Büro den Alt-Parteigenossen Pfeiffer übersieht. »Machen Sie endlich Schluß mit diesem Hartwig!« fährt Rindsfell den Oberkommissar an. »Unerträglich, wie dieser Mann im Gerichtssaal gegen unsere Rechtsauffassung stänkert. Und Sie, Bruckmann, finden keine Beweise – lächerlich.«
»Beweise über Beweise«, versichert ihm der rotgesichtige Chef der Politischen Polizei, »aber keine für Ihre Zwecke ausreichenden.«
Jetzt erst begrüßt der Oberstaatsanwalt den Studienprofessor.
»Wir haben auch so eine faule Geschichte am Hals«, erklärt Pfeiffer. »Bleiben Sie am besten gleich hier, Herr Oberstaatsanwalt, die Sache landet mit Sicherheit bei Ihnen.«
Der Oberkommissar, froh über den Themenwechsel, berichtet mit einer für seine Korpulenz überraschenden Beweglichkeit in Stichworten über die schwebende Untersuchung gegen Dr. Faber. »Ich fasse das Resultat der bisherigen Vernehmung zusammen«, sagt er. »Alle Zeugen waren durch Alkoholeinfluss vermindert aufnahmefähig und berufen sich auf Gedächtnislücken. Alle Abiturienten stellen sich mehr oder weniger vor den verdächtigen Dr. Faber.«
»Alle?« fragt Rindsfell aufgebracht. »Das versteh' ich überhaupt nicht.«
Bruckmann nickt. »Alle sind auch wütend auf den Informanten aus ihren Reihen. Außerdem wollen sie auch keinen Ärger mit der Polizei bekommen. Ich persönlich zweifle nicht daran, daß die Äußerungen gefallen sind, wie sie uns Braubach wissen ließ, aber damit sind sie noch lange nicht bewiesen.«
»Aber beweisbar«, erwidert der Jurist. »Sie müssen sofort die Gegenüberstellung mit Braubach arrangieren.«
»Klar, Herr Oberstaatsanwalt«, entgegnet der Polizeibeamte. »Ich mache nur darauf aufmerksam, daß es sich bei ihm um einen ausgezeichneten V-Mann handelt, auf den auch jetzt noch keiner – aber auch nicht einer – gekommen ist. Wenn ich ihn präsentiere, entwerte ich ihn natürlich.«
»Das ist doch völlig schnurz«, poltert Pfeiffer los. »Die Kerle kommen jetzt sowieso zum RAD und zum Barras – und ich verschaffe Ihnen so viele neue V-Männer, wie Sie nur wollen!«
»Was meinen Sie, Herr Oberstaatsanwalt?« fragt Bruckmann.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, erwidert der ehrgeizige Jurist. »Entweder wir bitten Hauptsturmführer Panofsky, den Fall lautlos zu bereinigen, zum Beispiel durch die Einweisung Fabers in ein Schutzhaftlager. Oder wir spielen unseren Kronzeugen voll aus.«
»Ich will keine lautlose Bereinigung«, versetzt Pfeiffer. »Ich will einen Knall, der das Mainbacher Gymnasium bis auf die Grundmauern erschüttert.«
»Dann brauchen wir unbedingt noch weitere Aussagen«, konstatiert der Oberstaatsanwalt, »und da sehe ich keine besonderen Probleme. Im Grunde stehen diese Jungen ja doch alle auf unserer Seite. Wir müssen nur einen Weg finden, die falsche Rücksicht auf ihren früheren Ordinarius zu zerschlagen.«
»Lassen Sie mich erst mal mit Stefan Hartwig reden«, fordert Pfeiffer. »Ich war schließlich einmal sein Ordinarius – ich weiß, wie man ihn behandelt.«
Der Fähnleinführer wird benachrichtigt; zehn Minuten später ist er zur
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