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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Vermißte und 111.034 Verwundete gekostet. Am Ende der Vierzig-Tage-Schlacht um Frankreich steht Hitler auf dem Höhepunkt seines Erfolges, aber niemand denkt daran, daß von der Spitze aus der Abstieg beginnt.
    Die schwarzumrandeten Todesanzeigen ziehen sich weit in die Siegesfeiern hinein, schon weil die Gauleitung dafür sorgt, daß nicht zu viele an einem Tag erscheinen. Das Mainbacher Gymnasium hängt zum Gedächtnis der gefallenen Abiturienten ihre Fotos auf dem Gang zum Direktorat auf. Dem zunächst einsamen Friedrich Krause folgen noch zehn weitere. Elf Bilder hängen jetzt in gleicher Höhe nebeneinander. Die Abgelichteten sehen mit lächelnden Gesichtern aus den dunklen Rahmen, die Oberstudiendirektor Dr. Schütz bald beschneiden muß, sei es, daß der Gang zu kurz ist für einen langen Krieg oder daß zu viele Ex-Gymnasiasten den Heldentod erleiden.
    Als vorläufig letzter kommt Braubach in die Ehrengalerie. Laut Todesanzeige ist er für ›Führer, Volk und Vaterland‹ gefallen, und dem Wortlaut nach trägt es seine Mutter ›in tiefer, aber stolzer Trauer‹. Die Nachbarn kennen es anders: Die Witwe ist in minutenlange Schreikrämpfe verfallen und muß vom Hausarzt mit einer Beruhigungsspritze zur Vernunft gebracht werden. Sowie die Wirkung der Injektion nachläßt, geht es wieder los: Kreischend und unfrisiert jagt Mutter Braubach über die Straße, wo ihr die Passanten ausweichen, weil die Frau, die wie eine Megäre aussieht, jedem erzählt, daß ihr diese Verbrecherbande den einzigen Sohn genommen hat. Der Abscheu vor ihr ist in Mainbach mindestens so groß wie das Mitleid.
    Natürlich wird in Prenzlau der Vorfall mit der Panzermine untersucht, aber es kommt nicht viel dabei heraus. Der Hauptschuldige ist tot, und ob die explosive Abwehrwaffe bereits vom Wachbullen scharf ausgehändigt oder beim Transport versehentlich entsichert wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Man läßt es auf sich beruhen, und der die Ausbildung leitende Bataillonskommandeur stellt salopp fest: »Wo gehobelt wird, da fallen Späne.«
    Stefan wird in das nächstgelegene Lazarett überführt. »Herr Stabsarzt«, fragt er bei der Visite, »wie lange wird es dauern, bis man mich entläßt?«
    »Ziemlich«, erwidert der Militärarzt. »Sie können's wohl nicht erwarten?« Im Weitergehen dreht er sich noch einmal um. »Sie sind doch als erster über die Mine gelaufen?«
    »Jawohl, Herr Stabsarzt.«
    »Dann denken Sie mal lieber darüber nach, was Sie für ein unheimliches Schwein gehabt haben.«
    Im August wird Stefan in ein Würzburger Lazarett verlegt. Kurze Zeit später besucht ihn Claudia mit Blumen und mit Tränen. Sie studiert in Erlangen Medizin, und sie sagt ihm, daß sie ihn nie vergessen werde, aber ihn doch wohl nicht heiraten könne.
    »Und ein Zwischending gibt es nicht?« fragt Stefan gereizt.
    »Mensch, Stefan, wir sind doch aus Mainbach.«
    »Dann geh zum Teufel«, fährt er Claudia an, und sie weint noch mehr und verabschiedet sich schließlich.
    Im Dezember erhält der Junge mit der aufgehaltenen Offizierslaufbahn Genesungsurlaub. Im Januar kommt er endlich auf Waffenschule nach Kamenz. Zufällig ist Rolf Bertram auf einem Fliegerhorst in der Nähe stationiert. Er besucht den Freund und muß sehr gegen den Neid auf die Fähnrichsuniform seines früheren Jungzugführers ankämpfen. »Mensch«, klagt er, »durch die Dummheit eines beschissenen Zwölfenders habe ich sechs Monate Zeit verloren. Ich bin jetzt das Schlusslicht von uns allen.«
    »Wie ich dich kenne, wirst du uns schon noch einholen«, erwidert Sibylles Bruder.
    »Aber du bist in jedem Fall lange vor mir Leutnant.«
    »Bei der Luftwaffe geht's auch schneller, zumindest beim fliegenden Personal«, erklärt Rolf. »Unmittelbar nach meiner Ernennung zum Oberfähnrich komme ich als Jagdflieger in den Einsatz.«
    Alle sprechen von der Landung in England, und tatsächlich ist der Sprung über den Kanal, unter dem Decknamen »Operation Seelöwe«, längst vorbereitet. Zunächst geraten die Geschwader der Luftwaffe an den Feind. Sie sollen die britische Jägerabwehr zerschlagen, wofür – laut Göring – vierzehn Tage notwendig sind. Aber noch nach Wochen und Monaten ist es nicht so weit. Zwar tönen laufend Sondermeldungen vom »Blitz« auf London oder der Zerstörung von Coventry, aber die Kampfflieger verbluten über dem Kanal und über Südengland. Und die Themse-Schleife, an der sie sich beim Anflug orientieren, wird für sie zur großen

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