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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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der Waffenschule an die Front kommt und der Krieg dann noch nicht zu Ende ist. Aber statt den Feind zu bekämpfen und sich dabei auszuzeichnen, muß er vor diesem blitzdummen Ausbilder in Deckung gehen. Unmittelbar vor Beendigung der Grundausbildung übt man auf dem Kasernenhof zu Prenzlau mit scharfen Waffen, mit geballten Ladungen, Sprengmaterial und Pioniergerät. Unteroffizier Zubelmaier läßt aus der Waffenkammer eine Panzermine heranschaffen. Die Rekruten gehen vorsichtig damit um wie mit Dynamit.
    »Ihr Armleuchter!« schreit der Ausbilder. »Schiss, was? Noch ist das Ding nicht scharf gemacht.« Er sieht, wie Schütze Braubach nervös die scharfe Mine absetzt. »Es ist eine Abwehrwaffe für Panzer«, erklärt Zubelmaier. »Sie ist viel zu wertvoll für Infanteristen. Und was bedeutet das, Braubach?«
    »Das bedeutet«, antwortet der Rekrut, »daß die Mine erst durch ein entsprechendes Gewicht gezündet wird.«
    »Richtig«, bestätigt der Ausbilder; er macht die Panzermine scharf und gräbt sie ein. »Mindestens zweihundert Kilo Belastung«, fährt er fort. »Deshalb können Sie ruhig darüberlaufen, ohne daß das Geringste passiert.«
    »Jawohl, Herr Unteroffizier«, erwidert Braubach.
    »Auf was warten Sie noch?« fragt der Stiernackige.
    Der Rekrut rührt sich nicht von der Stelle.
    »Sie Waschlappen!« brüllt der Schinder. »Hartwig, was ist mit Ihnen – sind Sie auch so ein feiges Schwein wie Braubach?«
    »Nein, Herr Unteroffizier.« Wohl ist Stefan nicht, aber er stapft über die Panzermine und denkt dabei an Kunigunda, die Stadtheilige von Mainbach, die einst über glühende Pflugscharen schreiten mußte, um ihre Unschuld zu beweisen. Er setzt darauf, ebenso heil aus dieser idiotischen Mutprobe hervorzugehen. Es klappt, und Stefan tritt wieder in den Halbkreis.
    »Nun zeig' ich's euch, ihr Schlappschwänze«, sagt der Stiernacken; er nimmt einen Anlauf, rennt kurzatmig auf die eingegrabene Panzermine zu, springt mit einem mächtigen Satz darauf; dann ist, wie der Bataillonskommandeur später in der Gedenkrede feststellt, die ›Scheiße am Dampfen‹.
    Die Explosion reißt Zubelmaier in Stücke. Die Rekruten werfen sich, geblendet von der Stichflamme, mit taubem Trommelfell auf die Erde. Erst als sie sich benommen wieder hochrappeln, stellen sie fest, daß vier von ihnen verletzt worden sind, unter ihnen Stefan und Braubach.
    Zehn Minuten später erhalten sie im Krankenrevier Erste Hilfe. Braubach ist nicht mehr zu retten. Der Junge, der um jeden Preis das Reifezeugnis haben wollte, stirbt auf dem OP-Tisch. Ausgerechnet er ist der erste Tote der 8 c, dem noch viele folgen werden, Angehörige einer Generation, der Hitler den Heldentod als Pflichtübung auferlegt hat.
    Auch Stefan ist erheblich verletzt: Schlagader aufgerissen, Splitter im Arm und im Rücken. Er kommt ins Lazarett, und das erste, was er begreift, ist, daß sein Karrierefahrplan durcheinandergeraten ist. Er verliert wegen eines dummen Ausbilders ein paar Monate, und das während der größten Zeit, die es seiner Meinung nach je in Großdeutschland gegeben hat.
    Paris fällt am 11.Juni. Unmittelbar zuvor wird der Panzer III des Zugführers Faber abgeschossen. Der Fahrer verbrennt. Der Leutnant und der Richtschütze können noch aussteigen und geraten für elf Tage in Kriegsgefangenschaft. Am 25. Juni kapituliert Frankreich. Das bringt Faber die Entlassung aus dem Lager und Heimaturlaub.
    Jetzt erst erfährt er, daß Sibylle guter Hoffnung ist. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Ich wollte dich nicht beunruhigen, Hans«, erwidert die junge Frau.
    »Beunruhigen?« schreit er fast. »Beglücken! Wann ist es soweit?«
    »Der Doktor sagt, es könnte ein Weihnachtskind werden«, antwortet Sibylle.
    Diesmal braucht man in Deutschland die Siegesstimmung nicht mehr anzuheizen, sie wird in Mainbach wie überall zur Massenhysterie. Skeptiker werden mitgerissen, Pazifisten geben sich auf einmal militant. Die Kirchenglocken läuten, die Fahnen wehen, selbst das Ausland ist mehr als beeindruckt, und es ist auch nicht daran zu rütteln, daß die Wehrmacht einen der grandiosesten Siege der Militärgeschichte errungen hat.
    Generale werden zu Generalfeldmarschällen befördert. Der Führer, der tatsächlich ein paarmal mit Erfolg in die Operationen eingegriffen hat – mitunter haben Hasardeure eben Glück –, avanciert ›zum größten Feldherrn aller Zeiten‹.
    Der Sechs-Wochen-Feldzug hat auf deutscher Seite 27.074 Tote, 18.384

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