Heldensabbat
wenigstens etwas leiser – die Nachbarn«, warnt sie.
»Prost, Lydia.« Die Gläser klingen. Sein Herz springt wie ein Gummiball in der Brust. »Du bist wirklich großzügig«, stellt er fest. »Und lieb. Wenn ich wiederkomme, bring' ich dir Blumen mit.«
»Du willst wiederkommen?« fragt sie. »Und was machst du, wenn mein Mann hier ist?«
»Kommt er denn so oft?«
»Ziemlich selten«, versetzt sie lachend. »Aber häufig genug.«
»Warum hast du ihn denn geheiratet, wenn er dir lästig ist?«
»Um durch Schaden klug zu werden«, entgegnet die junge Frau. »Weißt du, Stefan, vorher ist's immer ein Honiglecken, aber dann kommt rasch der Tag, an dem dir das süße Zeug gründlich zum Hals heraushängt.«
»Bist du schon mal – fremdgegangen?«
»Bisher«, versetzt sie mit einer Betonung, die Stefan richtig heraushört, »hab' ich es nicht getan.« Sie prostet ihm zu. »Redest du nicht ein bisschen viel, Stefan?«
»Der Wein«, erklärt er. »Ich stell' mich wohl sehr dumm an.«
»Nicht dumm«, entgegnet Lydia, »unbeholfen.«
Er steht ruckartig auf, beugt sich zu Lydia hinunter, reißt sie an sich, wie der Elektromensch auf dem Rummelplatz, grob, zackig, als müsse er Gewalt anwenden.
Die junge Frau küsst ihn, verhalten zunächst, dann richtig. Sie beißt ihn in die Unterlippe, und es ist, als impfte ihn eine Kanüle mit Sucht. Sie macht sich frei. »Moment«, sagt sie dann, geht an die Wohnungstür, sperrt sie ab. Dann tritt sie an die Fenster und zieht die Vorhänge zu, kommt zurück. »Magst du mich, Stefan?«
»Und ob«, entgegnet er außer Atem.
»Du hast mir damals schon gefallen«, raunt ihm Lydia zu, und Stefan preßt sie wieder an sich.
Sie lassen sich auf die Couch fallen. »Nicht hier«, flüstert Lydia und macht sich frei. Sie geht voraus in das Schlafzimmer mit dem Doppelbett, Doppelschrank, doppeltem Nachtkästchen. Stefan streichelt und bedrängt Lydia, es ist mehr Sturm als Zärtlichkeit, aber sein wildes Ungestüm reißt die junge Frau mit: Wildwuchs ist mächtiger als Routine. Er tobt wie ein Berserker, dringt in sie ein wie Attila, der Hunnenkönig.
»Ja«, stöhnt sie. »Stoß, los, komm, ja – ja.«
Das braucht sie ihm nicht zu sagen. Der Junge schafft es dreimal hintereinander, ohne zu ermatten. Unverbrauchte Kraft, angestaute Sehnsucht entladen sich. Es ist, als wolle Stefan auf einmal alles loswerden: die Enttäuschung mit Claudia, den Haß auf den RAD-Feldmeister, den Zorn über seine verzögerte Offizierslaufbahn, die Trauer um Rolf, den Ekel vor der Nutte.
»Gnade«, sagt Lydia und löst sich von ihm. »Ich glaube, wir haben beide eine Pause und eine Erfrischung nötig – du bist vielleicht einer.«
Sie ist zweiundzwanzig, herrlich gewachsen, und Stefan starrt ihren Körper an, als kenne er ihn nicht. Auf einmal ist Lydia sein Typ mit Haut und Haaren. Er hat noch nie eine so schöne Frau gesehen und noch nie eigentlich auch eine nackte Frau, denn die Nutte hat er mit geschlossenen Augen hinter sich gebracht.
»Was denkst du?« fragt sie ihn und glättet seine Stirnfalten.
»Du bist großartig«, erwidert er. »Weißt du, Lydia, mein Wunschtraum waren eigentlich immer mehr nordische Frauen.«
»Mit Zöpfen und Zicken?« fragt sie belustigt. »Weißt du nicht, daß die Dunklen halten, was die Blondinen versprechen?«
»Woher sollte ich es wissen«, versetzt er. »Ich hab' doch noch nie eine Blondine im –«
»– noch nie im Bett gehabt?« ergänzt die junge Frau lachend und drückt ihm das Weinglas in die Hand.
»War ich sehr ungeschickt?« fragt er.
»Eigentlich war es ganz herrlich, einmal einen Mann ganz ohne Erfahrung zu haben.« Ihr Zeigefinger wandert um seine Mundecken. »Du bist ein Naturtalent.«
»Aber du hast Erfahrungen?« fragt Stefan.
»Mehr schon als du«, erwidert sie. »Du brauchst nicht gleich eifersüchtig zu werden.«
»Du bist also doch schon fremdgegangen?«
»Mitunter«, antwortet sie, »aber nicht sehr oft.« Sie krault Stefans Hals. »Ich hab' dich vorhin doch angelogen, aber da hab' ich dich ja noch nicht so gut wie jetzt gekannt.«
»Ich mag dich unheimlich«, leitet er seine Frage ein. »Es geht mich ja auch nichts an«, setzt er hinzu, »aber hast du da keine, keine –«
»Keine was?«
»– Hemmungen, wenn du deinen Mann betrügst?«
»Erstens betrüge ich ihn nicht«, entgegnet sie. »Betrügen tut man einen, wenn man ihn um Geld begaunert. Ich hintergehe ihn höchstens«, korrigiert sie ihn. »Ich meine, falls
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