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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Schlammperiode, nicht so bodenlos wie im Vorjahr, gab ihr Gelegenheit, in den Werkstattkompanien die verschlissenen Motoren zu überholen, aber der Winterkampf ist genauso unerbittlich wie 1941. Einige abgeschossene Fahrzeuge kann die Kampfeinheit durch Beutewagen ersetzen. Zugführer Stefan Hartwig fährt vorübergehend mit einem T 34 ins Gefecht. Unter Ausnützung des Überraschungsmoments gelingen ihm einige Gegenstöße. Am 21. November wird er mit dem EK I ausgezeichnet.
    Einen Tag später fällt der Major mit dem schmalen Kopf und den auffallend hellen Augen. Hauptmann Hans Faber, der vor Tagen an der Front eingetroffen ist, wird sein Nachfolger und übernimmt ein Bataillon, das die Kampfstärke von höchstens einer Kompanie hat. Die Front kann nicht mehr durchgehend besetzt werden. Die Stützpunkte liegen oft 20 Kilometer und weiter auseinander.
    Feierabend. Kein Sprit mehr. Hilferufe von allen Seiten, aber die Alarmeinheit liegt fest und muß abwarten, bis der Nachschub endlich durchkommt. Jetzt haben die beiden Offiziere Zeit, über Mainbach zu sprechen. Es beginnt für Stefan mit einer bitteren Neuigkeit: Claudia hat den Privatdozenten Dr. Christian Maurer doch schon vor Weihnachten geheiratet, weil der Physiker überraschend zur Wehrmacht eingezogen wurde.
    »Haben deine Eltern dir das nicht geschrieben?« fragt Faber.
    »Warum sollten sie auch? Erstens wollten sie mich schonen, und dann ist Claudia ein abgeschlossenes Kapitel für mich.«
    Sie sitzen in einem fast zerstörten Dorf, 15 Kilometer hinter der Hauptkampflinie, und trinken Wodka. »Hast du noch weitere Hiobsbotschaften?« fragt Stefan. »Über meinen Onkel, zum Beispiel?«
    »Die Anklage ist erhoben, und die Verhandlung soll noch vor Weihnachten stattfinden«, erwidert der Hauptmann.
    »Und der Ausgang steht fest«, stellt Stefan mit rauer Stimme fest.
    »Wenn du die Wahrheit erträgst – ja.«
    »Und mein Vater geht bis dahin kaputt«, sagt Stefan. »Wie wir alle. Wir alle werden vor die Hunde gehen.« Er kippt das Glas in einem Zug. »Und ich bin froh, wenn endlich alles überstanden ist.«
    »Du solltest nicht so reden, Stefan«, rügt Faber.
    »Das hab' ich von dir gelernt, Hans, oder bist du jemals einer Wahrheit ausgewichen?« fragt der Ex-Primus.
    »Das nicht«, erwidert der Hauptmann gedehnt. »Aber erst, wenn sie auch feststand.«
    »Es wird doch immer unwahrscheinlicher, daß wir Rußland überleben – und wenn, dann fragt es sich, in welchem Zustand.« Stefan greift nach dem Glas und kippt es. Er wird nicht benebelt von dem scharfen Zeug, er säuft sich in Rußland weiße Klarheit hinein. »Oder glaubst du ernsthaft, daß wir eine Chance haben, diese Scheiße hier zu überstehen?«
    »Eine geringe«, entgegnet Faber. »Und wenn wir die Hoffnung von vorneherein aufgeben, dann können wir uns gleich eine Kugel durch den Kopf jagen.« Er greift nach dem Wodka-Glas, doch auch bei ihm verfehlt der Schnaps seine Wirkung. »Ich denke an Sibylle und den Kleinen. Ihretwegen verbeiße ich mich in den Gedanken, daß ich durchkommen muß, wie auch immer.«
    Stefan nickt. »Und wie viele, die sich an das Leben gekrallt haben – und eine Sibylle zu Hause hatten und ein Hänschen –, sind inzwischen vor die Hunde gegangen?«
    »Leider hast du recht, Stefan«, versetzt der Hauptmann. »Trotzdem sind Verhängnis und Hoffnung ungleiche Geschwister. Natürlich spüre ich, was mir bevorsteht, und weiß, daß es jeden Tag eintreten kann.« Er atmet schwer. »Aber nicht muß.« Er betrachtet den Jungen, der ihn mit großen Augen ansieht. »Für den Fall, daß wenigstens du den Wahnsinn überlebst – hätte – habe ich eine große Bitte.« Entgegen seiner Art spricht er hastig, mit abgewandtem Gesicht: »Sag Sibylle, daß es ganz schnell gegangen ist, überraschend, daß ich nicht gelitten habe – daß ich sie und Hänschen liebe wie nichts auf der Welt – und daß jeder Gedanke –«
    »So darfst du nicht reden, Hans«, unterbricht ihn Stefan und würgt an einem Kloß im Hals.
    »Seit wann weichst du denn einer Wahrheit aus, Stefan?« benutzt Hans Faber die Worte des Jungen.
    Sie trinken weiter, schweigend und zügig, lange und ungut, bevor Stefan wieder die Vision quält. Zum ersten Mal spricht er über sein Trauma, über die großen dunklen Augen einer Dreizehnjährigen, die von ihren Mördern mit brutalen Kolbenstößen von ihm weggerissen wurde und ihn dabei unverwandt ansah. »Ein Schuß, der Stoß in die Grube. Löschkalk. Der

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