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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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nächste«, sagt der junge Leutnant mit einer Stimme, die von weither kommt. »Wir werden hier verheizt, damit ein Schweinehund wie Panofsky sich in der Etappe austobt.« Er spuckt die Worte aus wie Sandkörner. »Für Führer, Volk und Massenmord.«
    Sie trinken weiter, obwohl der Wodka jetzt nach Blut schmeckt. Am nächsten Tag haben sie wilde Kopfschmerzen, aber das ist jedenfalls besser als ausweglose Nachtgespräche. Eine Woche lang warten sie auf Post, auf Proviant, auf Sprit. Dann kommen steinhartes Kommißbrot, Tubenkäse und Kunsthonig durch, aber keiner mault darüber, denn es wird auch Feldpost verteilt, Lebenszeichen von zu Hause, liebe Grüße, gemischt mit Hiobsbotschaften: Namen von Verwandten, Freunden und Bekannten, von Mitschülern der früheren 8 c, die gefallen sind, jetzt auch der blonde Graf Truchsess und Gernbach, der Generalssohn. Gleichzeitig sickern auch Nachrichten über die miserable Frontlage durch. Alle strategischen Fehler des ersten Rußland-Winters wiederholt Hitler im zweiten, und so steht die 6. Armee – mit italienischen, ungarischen und rumänischen Hilfstruppen an die dreihunderttausend Mann – in einem bereits entschiedenen Todeskampf. Die schon anfänglich unzureichende Luftversorgung ist zusammengebrochen. Einen rechtzeitigen Ausfall aus Stalingrad hat der Diktator verboten. Wenn die Ostfront im Mittelabschnitt von den Russen nicht eingedrückt wird wie im Vorjahr, liegt es nur daran, daß auch Stalin den Schwerpunkt des Kampfes in den Süden seines Landes verlegt hat – aber auch noch mit halber Kampfkraft bleiben die Sowjets im Bereich der Heeresgruppe Mitte brandgefährlich.
    Die Kampfgruppe Faber sitzt noch weitere zwei Tage untätig herum, dann kommen endlich auf Schlitten Spritfässer durch, und sie kann wieder als Frontfeuerwehr einspringen.
    Die ersten drei Einsätze laufen gut. Trotzdem kostet jeder von ihnen Blut und Sprit. Hauptmann Faber erhält noch einmal Nachschub, gerade noch rechtzeitig, denn die Russen sind wieder einmal durch eine breite Frontlücke tief in die deutschen Linien eingedrungen.
    Es ist kurz vor Mittag: schnelle Einsatzbesprechung vor dem Alarmstart. Wenn Stefan die Befehle seines Hauptmanns hört, vermeint er, wieder auf der Schulbank zu sitzen, aber nur die Stimme täuscht ihm das vor, nicht die Worte Fabers: »Vormarsch im schmalen Keil, je nach Gelände, aber nicht weiter auseinandergezogen als hundert Meter. Auf Schießereien mit dem Iwan lassen wir uns nicht ein. Wenn Widerstand nicht zu überrollen ist, muß er umgangen werden. Wir müssen Gelände gewinnen – unser Befehl heißt fahren, fahren und wieder fahren und dann dem Feind in die Flanke stoßen. Kapiert?«
    Der Himmel wirkt wie eine blasse Daunendecke an diesem Dezembertag. Die Motoren rumpeln los, brüllen auf, spucken, knallen. Alles hat seinen Ritus bei der Panzerei. Mit spitzen Fingern und verschlossenem Gesicht schiebt sich Oberfeldwebel Schulz erst jetzt die Muscheln des Bordfunkgerätes über die Ohren.
    »Hier ist Onkel Schulz«, beginnt er seine traditionelle Angriffsrede per Kehlkopfmikrophon an seine Männer. »Ausgeschlafen? Gut gefrühstückt? Jetzt geht's dem Mittagessen entgegen – den Nachtisch serviert euch der Iwan.«
    Faber rollt an der Spitze im Führungspanzer. Die anderen Kampfwagen fahren an, graben sich in die kurze, vereiste Böschung zum Waldrand hinauf. Die Geschütze schnüffeln über niedrige Krüppelkiefern, wie Hundenasen, die sich auf die Fährte setzen.
    Die Soll-Bruchstelle der russischen Linien ist gut gewählt. Die dünnen Vorposten werden im ersten Anlauf überrollt. Die Kampfgruppe Faber kommt schneller voran als erwartet, stößt in eine russische Nachschubkolonne und schießt binnen weniger Sekunden drei T 34, die ihr zu Hilfe kommen, ab. Die Frontfeuerwehr markiert ihren Weg ins feindliche Hinterland mit Rauchsäulen.
    Leutnant Hartwig folgt mit seinem Zug stur dem Führungspanzer. Der Turm seiner Kanone zeigt auf 12 Uhr. Faber gibt seine Befehle per Sprechfunk so ruhig, als versehe er Schulaufgaben mit Randbemerkungen. Es gibt keine verläßliche Generalstabskarte; er hält die Richtung nach Kompaß und Geländebeschaffenheit.
    Ringsum Schneefelder, eine Wüste in weiß. Am späten Nachmittag hat die durchgebrochene Kolonne an die 30 Kilometer geschafft. Es ist Zeit, nach Süden abzudrehen und dabei dem Feind in die Flanke zu fahren, um ihn von hinten aufzurollen. Daß die Russen ihn so weit kommen ließen, beunruhigt Faber. Sie

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