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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Ihrer Tochter kriegen wir schon hin, nicht?«
    Der Blockleiter sagt nicht ja und nicht nein. Er ist verwirrt. Schämt er sich? Schämt er sich, weil er Parteigenosse ist, weil er seinen Kompromiss mit der Zeit gemacht hat? Er weiß es nicht. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloß.
    Sie trägt ein Kleid, das er nie an ihr gesehen hat. Plötzlich fällt ihm ein, daß sie es nie in der Schule anhatte. Für uns dumme Jungens ist es ihr wahrscheinlich zu schade, denkt er.
    Claudia kommt ihm lässig entgegen. Stefans Herz pocht am Hals, an den Schläfen. Keine Mutübung bei der Hitlerjugend hat ihn jemals so belastet wie das lächelnde Mädchen. Er wird rot wie ihr Kleid. Er kann nicht hindern, daß sich das Schlagen seines Herzens ihrem Schritt anpasst. Und sie geht aufregend. So hat er sie noch nie gesehen. Sie gibt ihm lächelnd, ein wenig zögernd, immer noch verwundert wie heute Vormittag, die Hand. Sie ist schmal und kühl.
    Er geht neben ihr her. Der Abstand beträgt einen halben Meter. Hätte ich doch ein Fahrrad mitgenommen,wünscht er sich jetzt, dann hätte ich wenigstens etwas zum Schieben.
    Nach 50 Metern weiß er nicht mehr, was er sagen soll. Seine Lippen sind ledern. Acht Jahre lang hat er Tag für Tag mit ihr gesprochen und sich nie darüber Gedanken gemacht. Aber jetzt ist auf einmal der Faden wie abgeschnitten.
    Sie ist es, die die Stille unterbricht. »Das finde ich aber nett, daß du dich mal abends sehen läßt«, lächelt sie.
    »Ja«, antwortet er verlegen. Nein, möchte er hinterher sagen. Er beißt sich auf die Lippe. Und wieder gehen sie stumm nebeneinander.
    Stefan wird immer unzufriedener mit sich. Auf der engen Gasse, die sich zum Dorfplatz hinaufwindet, liegen noch abgebrannte Fackelgriffe. Stefan stößt einen mit dem Fuß auf die Seite. Dann bleibt er stehen, geht weiter auf einen Hügelkamm zu, wo man von Biergärten aus die ganze Stadt übersieht, wo im Frühling die Linden duften und Bänke unter schmiedeeisernen Laternen stehen, um die sich die Nachtfalter drehen, wenn die Sonne gesunken ist.
    Claudia stockt. »Wohin gehen wir eigentlich?«
    »Ach, nur so«, stottert Stefan und sieht an ihr vorbei.
    »Wir könnten doch ins Kino«, schlägt sie vor. Ganz eifrig plötzlich. »Du – ich hab' Geld.«
    Diesmal übertrifft seine Gesichtsfarbe die Röte ihres Kleides. »Ich auch«, erwidert er rau.
    Sie lacht. Er ärgert sich darüber, hasst sie in diesem Moment, verwünscht seine Idee, sie heute Abend zu treffen.
    »Wie du willst«, meint sie. »Es war nur ein Vorschlag.« Sie geht einfach neben ihm her, und Stefan lernt etwas Neues kennen: das leise Rascheln ihres Kleides.
    Die Hitze überflutet ihn wieder. Er hat sich das alles ganz anders vorgestellt. Nein, er hat sich gar nichts vorgestellt. Er könnte sich mit der Faust gegen die Stirne schlagen. Er ist gewohnt, erst nachzudenken und dann zu handeln.
    »Ich habe Durst«, sagt Claudia, »ich möchte eine Limonade trinken.«
    Das ist wenigstens ein Ziel, für das sich Stefan einsetzen kann.
    So sitzen sie sich auf Stühlen in einem Biergarten gegenüber. Unter ihnen flammen die Lichter der abendlichen Stadt, Ketten und Perlen, darüber Dunst.
    Auf den gelben Tischen stehen Bierlachen. Es riecht nach Wurst und Senf. An den Nebentischen zieht träger Rauch aus Pfeifen, Zigaretten und Zigarren nach oben.
    Claudia bestellt sich ihre Limonade.
    »Und Sie, junger Mann?« fragt die Kellnerin.
    »Ich auch«, antwortet er.
    Die Brause wirkt wie Sekt. Sie werden albern wie in der Schule. Und wenn Claudia den Kopf wendet, um in die Hand zu kichern, sieht er den blonden Flaum an ihrem Nacken.
    Im Sitzen ist alles halb so schlimm, stellt Stefan fest. Aber als ihr Taschentuch auf den Boden fällt und sie sich beim gleichzeitigen Bücken mit den Wangen streifen, sieht er den Ausschnitt ihres roten Kleides, und er starrt die straffe, bräunliche Haut an, die dort, wohin er noch nie sah, weiß ist.
    Da überfällt ihn ein Zittern, als wäre er im Physiksaal seiner Schule an die Pole des Induktionsapparates gekommen.
    Dann passiert es. Eine Horde junger Burschen taucht auf einmal lärmend aus dem Dunkel auf. Leute seines Fähnleins. Er sieht, wie sie grinsen, wie sie sich mit dem Ellbogen anstoßen und sich dann wie auf ein Kommando an den Nebentisch setzen.
    Stefan will sofort zahlen.
    »Warum denn schon?« fragt das Mädchen.
    »Ach, weißt du, das sind welche aus meinem Fähnlein – die – da ist es besser –«
    Die Kellnerin kommt an den

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