Heldensabbat
fünfzig, der nur zwei Häuser weiter wohnt. Faber trifft ihn oft mehrmals am Tag. Sie grüßen sich jeweils respektvoll, wechseln ein paar belanglose Worte und gehen dann wieder auseinander.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, beginnt Breuer, »ich –«
»Aber treten Sie doch bitte ein.«
Der Mann kommt mit steifen Schritten näher.
»Junggeselle«, erklärt Dr. Faber und deutet lächelnd auf seine Bücher, die in wildem Durcheinander auf den Möbelstücken herumliegen.
Breuer nickt zerstreut, sieht an dem Studienassessor vorbei, als er hastig beginnt: »Tut mir leid, daß ich Sie belästigen muß. Die Sache ist mir sehr – sehr unangenehm.«
»Was gibt's denn?«
»Wissen Sie, Herr Doktor«, fährt der Oberinspektor fort, »ich – ich komme von der Partei.« Er wirkt verlegen. Seine Hände fingern am Schlips. Seine Augen kleben am Boden. Seine Stimme schwankt unsicher. Seine Lippen sind trocken. Es hilft nichts, daß er mit der Zunge darüberfährt.
»Von der Partei?« fragt Dr. Faber. Er lächelt dabei, steht auf, macht ein paar Schritte, dreht sich langsam um. »Und was habe ich mit der Partei zu tun?«
»Aber verstehen Sie mich doch, Herr Doktor«, fährt der Besucher schleppend fort. Auf einmal ändert sich sein Tonfall. Er spricht hastig, grimmig. »Ich muß hier den Blockleiter spielen«, platzt er heraus. »Einen anderen haben sie nicht gefunden. Beiträge kassieren und so –«
Dr. Faber nickt. »Tasse Kaffee?« fragt er dann. »Oder lieber ein Glas Bier?«
»Nein, danke. Ich – ich möchte nichts.« Breuer gerät wieder ins Schwimmen. Er tut Dr. Faber leid in diesem Moment. Der Assessor weiß, daß der Oberinspektor ein Mann ist, der ganz in seiner Familie und in seinem Garten aufgeht, am Sonntag im Kirchenchor singt und am Mittwoch zum Kegeln geht. »Also, was ist?« hilft er ihm weiter. »Schließlich sind wir Nachbarn. Wir können doch offen miteinander reden, nicht, Herr Breuer?«
»Gut«, erwidert der Blockleiter. »Sie sollen zum Studienrat befördert werden, Herr Doktor. Sie wissen ja, daß Sie längst an der Reihe sind.«
Der Assessor nickt. »Was hat die Partei damit zu tun?«
»Bei mir liegt ein Fragebogen der Partei.« Er zuckt die Schultern. »Ich kann daran nichts ändern, ich nicht. Die Ortsgruppe will klipp und klar wissen, warum Sie nicht bei der NSDAP sind. Und warum Sie keiner anderen Gliederung der Partei angehören. Verstehen Sie?«
»Ja«, versetzt Dr. Faber.
»Ich weiß nicht, ob Sie Studienrat werden, wenn sie nicht eintreten. Sie wissen doch, wie das heutzutage ist. Ich – ich kann da auch nichts machen. Ich würde Ihnen sonst gerne helfen, glauben Sie mir.«
Der Assessor nimmt ein Buch und legt es auf ein anderes. Dann greift er nach dem ganzen Haufen und stellt ihn auf einen anderen Stapel. Er lächelt. Ohne Spott, ein bisschen wehmütig. Seine Augen bleiben offen und unbefangen dabei. »Ja«, wiederholt er. »Zeit wäre es.«
Oberinspektor Breuer schüttelt unmerklich den Kopf. »Begreifen Sie mich doch«, bittet er hastig, »ich – ich bin doch auch nur ein kleiner Pg. Meinen Sie denn, daß ich freiwillig in der Partei bin?«
Dr. Faber lacht. »Sie sind mir ein schöner Blockleiter«, entgegnet er.
»Jetzt hätte ich doch gerne ein Glas Bier«, versetzt der Oberinspektor.
Faber stellt es auf den Tisch.
»Na ja«, fährt der Blockleiter fort. Sein Gesicht wirkt jetzt nicht mehr so gutmütig und beflissen. »Ich habe Familie. Zwei Kinder. Verstehen Sie – bei meiner Dienststelle – fast nur Pgs.«
»Das verstehe ich alles«, sagt Dr. Faber. »Wie geht es Ihrer Familie?«
»Rita, meine Älteste – na ja, man hat ja immer so seine Sorgen … Im Aufsatz ist sie schwach.«
»Schicken Sie sie zu mir. Vielleicht kann ich ihr etwas helfen.«
Fahrig steht Breuer auf. »Mich geht's letzten Endes nichts an. Nur Sie! Ich will Ihnen auch nicht zureden. Sie sind einer von denen, die von einer Sache überzeugt sein müssen. Aber trotzdem: Treten Sie doch ein in die Partei! Dann haben Sie Ihre Ruhe ein für allemal.«
»Nein, danke.« Diesmal klingt Dr. Fabers Stimme kalt und ungefällig.
Der Blockleiter macht eine hilflose Geste, reicht Dr. Faber die Hand. Sie ist heiß. »Vielen Dank für das Bier«, sagt er. Auf dem Gang dreht er sich noch einmal um. Sein Gesicht ist gerötet, gequält. Er flüstert fast: »Sie verachten mich, Herr Doktor, nicht?«
»Aber nein, Herr Breuer«, erwidert Faber. »Keine Spur. Ich mag Sie, und die Sache mit
Weitere Kostenlose Bücher