Heldensabbat
hatte, daß er während der Nacht auf gegenwärtige hatte verzichten müssen.
Während Dr. Fendrich und seine Begleiterin auf den Lift warten, der sie in die Direktionsetage hochbringt, serviert Cora Nimmwegh ihrem Chef und Hochzeitskandidaten eine Prärieoyster. »Wie geht's dir?« fragt sie.
»Gestern ging's noch«, erwidert Bertram.
»Da täuschst du dich aber gewaltig«, entgegnet Cora. »Gestern ging's nicht mehr. Ich hatte mit dir noch mehr Arbeit als mit deinem Wagen.«
»Mach' ich alles wieder gut.« Er schluckte seinen Wiederbelebungscocktail. »Heute Abend.« Er grinst. »Deutsche Eiche«, prahlt er. »Sie schwankt, aber sie fällt nicht.«
»Heute Abend.« Sie nickt und lächelt. Wenn der Vorstandsvorsitzende der »Bertrag« nach einer durchbummelten Nacht mit ihr am Morgen gemeinsam im Werksgelände ankommt, kann es Cora auch wagen, aufs Ganze zu gehen.
Dr. Fendrich hat das Vorzimmer Bertrams betreten. Er nickt der ältlichen Sekretärin zu. »Geht's Ihnen gut, Frau Schuster?« fragt er.
»Danke, Herr Doktor«, erwidert sie. »Kann nicht klagen. Soll ich Sie bei Herrn Bertram anmelden?«
»Lassen Sie mal«, entgegnet der Jurist und lächelt maliziös. »Frau Bertram«, stellt er vor. »Es soll eine Überraschung für ihren Mann werden.«
Gustav Bertram schaut gereizt zur Tür, in der nach kurzem Anklopfen zuerst Dr. Fendrich auftaucht. Seine Kinnlade fällt nach unten. Erst auf den zweiten Blick erkennt er seine Frau und starrt sie an wie eine Erscheinung. »Du?« sagt er. »Du –«
»Ich«, erwidert Mathilde Bertram.
In diesem Moment erfasst Cora Nimmwegh, daß die Unbekannte die Frau sein muß, die ihr Mann als graue Maus bezeichnet hat. Sie steht wie angewurzelt und fixiert die Rivalin. Ihr Gesicht ist starr vor Verblüffung, dann zeigen sich rasch hintereinander Zorn, Verlegenheit, Aggression und Unterwerfung. Cora schiebt sich aus dem Zimmer wie ein verjagtes Tier. Die Situation ist für sie viel schwerer als für die Frau, die sie verdrängen will, denn Mathilde Bertram hat nichts gesehen und erfasst, was sie nicht schon gewußt hätte.
Langsam erhebt sich der Fabrikant, steht gleich einem Boxchampion, bei dem der Außenseiter einen Sonntagsschlag gelandet hat; aber ein alter Ringfuchs geht nicht gleich zu Boden, sondern in den Gegenangriff. »Du wagst es, hier unangemeldet aufzutauchen? In dieser – dieser Aufmachung? Und das«, seine Stimme schwillt an, »nachdem du – hinter meinem Rücken – die eigene Tochter mit einem Staatsfeind und einem Mitgiftjäger verkuppelt hast –«
»Zuerst möchte ich dir raten, und zwar in deinem eigenen Interesse, deine Kebse aus dem Vorzimmer wegzuschicken. Es ist sicher besser, sie hört nicht mit, was wir zu besprechen haben.«
Der Außenseiter hat den zweiten Zufallstreffer gelandet, und diesmal kommt der Champion zu keinem Gegenangriff. Er klappt in seinen Stuhl, fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn, zündet sich mit fahriger Hand eine Zigarette an. »Was machen Sie eigentlich hier, Herr Dr. Fendrich?« fragt er dann, um Zeit zu gewinnen.
»Ihre Frau ist meine Mandantin, und ich nehme auf ihren Wunsch an diesem Gespräch teil«, erklärt der Jurist. »Wenn es allein nach mir gegangen wäre, hätte es weit früher stattgefunden.«
»Ich möchte wissen, was es Sie angeht, wenn meine Frau und meine Tochter und mein Sohn einen Aufstand gegen mich inszenieren, den ich«, sagt er und seine Stimme fängt sich wieder, »erbarmungslos niederschlagen werde, und zwar sofort.«
»Stellen wir das Persönliche erst einmal zurück«, sagt die Frau mit dem veränderten Aussehen. »Bitte, Herr Dr. Fendrich –«
»Herr Bertram«, beginnt der Jurist. »Sie haben vor gut dreiundzwanzig Jahren Ihre Frau geheiratet und sind damals ziemlich mittellos in die damaligen Schündler-Werke eingetreten –«
»– und habe sie hochgebracht«, unterbricht Bertram schnaubend, »und zwar in kürzester Zeit.«
»Sie haben tatsächlich Umsatz und Gewinn erheblich verbessert«, räumt der Jurist ein. »Trotzdem muß ich Sie jetzt um einige Geduld und Aufmerksamkeit bitten.« Er wartet, bis der Industrielle ihn ansieht. »Ihr Schwiegervater ist 1932 gestorben; er hat noch zu Lebzeiten veranlaßt, daß die bisherige Einzelhandelsfirma als Schündler GmbH weiter besteht; Gesellschafter zu gleichen Teilen: Ihre Frau, Sie selbst und gemeinsam alle Kinder aus dieser Ehe. Die Verfügung des Erblassers sieht vor, daß Mathilde Bertram die Anteile der Kinder
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