Heldensabbat
Panofsky, dann wäre Ihnen diese Schnapsidee nicht gekommen. Hier in Mainbach ist alles geschichtlich gewachsen. Zeit spielt hier keine Rolle. Änderungen vollziehen sich nur langsam.« Er zündet sich eine Zigarette an. »Dieser Rechtsverdreher läuft uns eines Tages bestimmt noch ins Messer, ganz gleich, ob in diesem Jahr oder im nächsten. Begreifen Sie doch endlich, Panofsky: Wir sind dabei, Mainbach endgültig zu erobern. Die Jungen stehen doch weitgehend auf unserer Seite. Die Kirchenaustritte mehren sich – und da kommen Sie daher und drohen alles durcheinander zu bringen.«
»Wir hätten den Fähnleinführer vermutlich nie als Zeugen vor Gericht benannt«, erklärt der SD-Chef.
»Aber in den Akten. Ein Armutszeugnis, wenn ihr mit dieser Kanaille nicht ohne den Jungen fertig werdet. Der Oberstaatsanwalt Rindsfell soll sich gefälligst im Gerichtssaal austoben und seine Schlappen nicht über Sie auswetzen. DieseVersetzungsgeschichte der Richter in der Devisenangelegenheit – ein schwerer Fehler. Die Leute reden doch darüber. Mensch, Panofsky, begreifen Sie doch endlich! Klar, wir dienen der gleichen Bewegung. Sie machen Ihre Arbeit und ich die meine. Über die Ziele sind wir uns einig – aber von den Methoden, die man in Mainbach anwenden muß, haben Sie keine Ahnung, weil Sie ein Hereingeschneiter sind.« Eisenfuß erhebt sich. »Deshalb stelle ich Sie vor die Wahl, künftig mit mir und meinen Männern zusammenzuarbeiten oder schleunigst Ihren Koffer zu packen.«
»Ich hab' nie gegen Sie gearbeitet, Parteigenosse Eisenfuß«, behauptet Panofsky.
»Quatsch«, entgegnet der NS-Satrap. »Meinen Sie, ich kenne die SD-Berichte nicht, die Sie nach Berlin durchgeben?«
»Wenn Sie den letzten meinen, spielen Sie sicher auf den Fall Steinbeil an.« Panofsky baut im raschen Gegenangriff eine Verteidigungslinie auf. »Es tut mir leid, feststellen zu müssen, daß sich schließlich die Kreisleitung stark dafür gemacht hat, daß wir den Steinbeils Pässe ausstellen ließen.«
»Es lag nicht in unserer Absicht, daß sie türmen. Gewiß: eine Panne.« Eisenfuß bleibt stehen und fixiert den SD-Mann. »Kommen in Ihrem Leben keine Pannen vor?«
»Natürlich auch – aber es macht mich einfach krank, daß Mutter und Sohn Steinbeil, die Hinterbliebenen eines notorischen NS-Feindes, nunmehr in der Schweiz hocken und sich über unsere Dusseligkeit halb totlachen.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab«, entgegnet Mainbachs ranghöchster Goldfasan. »Wir haben das Haus und den Grundbesitz der Staatsflüchtigen. Aus devisenrechtlichen Gründen wird Frau Steinbeils Pensionszahlung storniert und eines Tages bestimmt kassiert – finanziell können wir uns schadlos halten. Aber die Sache hat noch einen höheren Wert für uns: Wir haben den Mainbachern vorgeführt, wie menschlich und großzügig wir sind.« Eisenfuß sucht die farblosen Augen des Hauptsturmführers. »Und diesen Beweis haben wir auch verdammt nötig, nach dem Ihr Verein immer wieder Unruhe in die Bevölkerung trägt.«
»Das bedaure ich selbst«, behauptet Panofsky. »Aber ich habe meine Aufgaben. Und dieser Rechtsanwalt Hartwig muß unschädlich gemacht werden.«
»Da sind wir durchaus einer Meinung.«
»Ich kann die Ermittlungen also weiterführen?«
»Und ob«, entgegnet Eisenfuß. »Aber in der richtigen Weise«, fordert er. »Und mit den richtigen V-Leuten.«
»Gut«, erwidert der SD-Mann. »Bitte glauben Sie mir, Parteigenosse Eisenfuß, ich tue nur meine Pflicht.«
»Dann sorgen Sie gefälligst dafür, daß unsere Pflichten künftig nicht mehr zusammenstoßen. Mensch, Panofsky, in dieser Hinsicht begrüße ich sogar diese reinigende Aussprache«, mildert der Kreisleiter ein wenig seine Standpauke. »Kommen Sie zu mir, wenn Sie im Zweifel sind. Ich bin immer für Sie da. Für Sie und den Laden, den Sie führen. Wir ziehen doch am gleichen Strang.«
»Einverstanden«, erwidert der Chef der SD-Außenstelle. »Ich werde mich daran halten.«
»Darum möchte ich auch bitten«, beendet Eisenfuß die Kontroverse. »Sonst sind Sie weg vom Fenster, Panofsky«, droht er ein letztes Mal.
Dem Hauptsturmführer ist nicht anzusehen, ob er angeschlagen ist. Sicher: Er hat Eisenfuß unterschätzt. Die Hintermänner in der SS-Zentrale, die den Kreisleiter über geheime SD-Berichte informieren, sind auch mächtig genug, einen Hauptsturmführer abzuberufen, mit oder ohne Grund. Die SS ist ein Staat im Staat, gefürchtet selbst von vielen Parteigrößen, nicht
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