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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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»Sie können gehen«, sagt er dann zu Greifer. »Halten Sie sich aber hier im Haus zur Verfügung, vielleicht brauche ich Sie noch.« Er wartet, bis der Bannführer aus dem Raum ist. »Schaffen Sie mir den Hauptsturmführer Panofsky zur Stelle«, wendet er sich an seinen Adjutanten, »und zwar jetzt. Sofort. Heute nacht noch. Holen Sie ihn aus dem Bett, wenn's sein muß, und sorgen Sie dafür, daß er nicht mit Greifer zusammenkommt. Wenn Panofsky im Haus ist, schicken Sie den Bannführer weg.«
    »Jawohl, Kreisleiter«, erwidert Wimmer. Einen Moment sieht der braune Statthalter aus dem Fenster des Gebäudes der Kreisleitung, des früheren jüdischen Vereinshauses, auf die nachtdunkle Hainstraße. Die SD-Dienststelle liegt genau gegenüber. Der mittelgroße Mann mit dem gefälligen Aussehen lächelt mit krummen Lippen. Er wittert sofort eine zweifache Chance: Zunächst kann er einen unangenehmen Widersacher an die Kandare nehmen, und zum zweiten kann er sich, einmal mehr, in der Rolle des Verfechters einer klaren, sauberen Parteilinie zeigen. Diese Vorliebe entspricht mehr seiner Schläue als der Moralität, und sie hat längst Früchte gezeitigt: Sein gelegentliches Einschreiten gegen rüde Methoden hat sich sofort in Parteikreisen herumgesprochen und ist auch bald gerüchtweise zur Zivilbevölkerung durchgesickert. Selbst in oppositionellen Kreisen ist man der Meinung, daß der Kreisleiter weit umgänglicher sei als andere NS-Würdenträger. Zwar gilt er als hundertprozentiger Nationalsozialist, doch auch als leidenschaftlicher Mainbacher, und darauf baut sich seine Selbstdarstellung auf. Er ist nicht harmloser, doch intelligenter als die anderen Goldfasane. Die Synagogen-Brandstiftung stand unter seinem Patronat, und seine Frau trägt einen wertvollen Pelzmantel aus jüdischem Besitz, die Familie Eisenfuß bewohnt eine der arisierten Hainstraßenvillen, aber sonst versagt sich Eisenfuß – im Gegensatz zu anderen Parteigrößen – jede Neureichenattitüde, und das fördert die Vergesslichkeit Außenstehender.
    »Hauptsturmführer Panofsky«, meldet Wimmer ein paar Minuten später.
    »Heil Hitler, Herr Kreisleiter!« sagt der Chef der SD-Außenstelle in der Tür und haut die Hacken zusammen. Er war noch in seiner Dienststelle gewesen und hat die Straße ohne Eile, und ohne eine Frage zu stellen, überquert, kalt wie ein Eiszapfen.
    »Treten Sie näher«, fordert Eisenfuß seinen heimlichen Aufpasser auf und betrachtet ihn ausgiebig: einen langen, dünnen Mann, der aussieht, als würde er nie satt, und der sich tatsächlich von den ortsüblichen Parteigelagen fernhält. »War es Ihre Idee, Panofsky, den Fähnleinführer Hartwig zum Spitzeldienst gegen seinen eigenen Onkel anzustiften?«
    »Spitzeldienst ist ein sehr hartes Wort, Parteigenosse Eisenfuß«, erwidert der Mann mit sicherer Stimme. »Ich habe ihn auffordern lassen, jederzeit wachsam zu sein, auch gegenüber seinen eigenen Verwandten.«
    »Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank«, fährt ihn der Parteigewaltige an. »Nehmen Sie Platz.« Während der SD-Chef steif auf einem Stuhl sitzt, geht Eisenfuß auf und ab. »Laßt eure Drecksarbeit gefälligst von euren Schleimern erledigen und bringt mir nicht diesen prächtigen Jungen mit solchen Aufträgen durcheinander! Das sind Idealisten! Soldaten von morgen. Garanten unserer Zukunft. Und keine Gruftspione!«
    »Rechtsanwalt Hartwig ist in Mainbach die Seele des Widerstandes«, stellt der SD-Chef fest.
    »Das weiß ich selbst. Viel besser als sie. Und auch schon viel länger. Bringt diesen Scheißkerl in Schutzhaft oder macht sonst was mit ihm. Mensch, Panofsky, benutzen Sie doch gefälligst Ihren Verstand.«
    »Ich arbeite in dieser Sache engstens mit Oberstaatsanwalt Rindsfell zusammen«, erwidert der Fahlblonde. »Wir sind beide der Meinung, daß die Domberg-Front nur auseinanderfällt, wenn wir diesen Hartwig vor ein Sondergericht stellen und seinen Kopf fordern.«
    »Aber nicht mit dem Neffen als Kronzeugen gegen den eigenen Onkel«, entgegnet der Kreisleiter. »Damit stempeln Sie ihn zum Judas. Kein Mensch in Mainbach hätte Verständnis dafür, am wenigsten die Jungen. Siegfried ist ihr Ideal«, donnert der frühere Eisendreher, der im harten Selbststudium heimlich fehlende Bildung nachbüffelt, »nicht Hagen.« Der kräftige Mann mit der ausgeprägten Nase zwingt sich zur Selbstbeherrschung. »Hätten Sie mit mir zusammengearbeitet, statt hinter meinem Rücken überall herumzustänkern,

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