Heldensabbat
bis zu deren fünfundzwanzigsten Geburtstag verwaltet. Sie hält damit über zwei Drittel der Firmenanteile. Nach dem Tod Ihres Schwiegervaters haben Sie mit Zustimmung der anderen Gesellschafter die GmbH in eine private Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Besitzverhältnisse blieben die gleichen. Die Umwandlung haben Sie damit begründet, daß Sie durch Hinterlegung, Beleihung oder Verkauf der Aktien während des wirtschaftlichen Aufschwungs beweglich bleiben müßten und –«
»Das war doch wohl auch der Fall«, unterbricht ihn Bertram gereizt.
»Es war die Grundlage zu einem großangelegten Defraudantenmanöver«, erwidert Fendrich kalt.
»Was fällt Ihnen ein!« brüllt der Beleidigte. »Verlassen Sie sofort den Raum!«
»Das ist wohl nicht Ihr Ernst, Herr Bertram. Ich darf Sie daran erinnern, daß ich auch Vorsitzender des Aufsichtsrates bin.«
»Gut«, versetzt der Geschäftsführer, »dann haben Sie ja auch die Verantwortung für alle Tätigkeiten dieses Hauses mitzutragen.«
»Nach der Umwandlung in eine AG begann ein beispielloses Geschäft: Die Wiederaufrüstung brachte Sie ganz groß ins Fach«, fährt der Jurist fort. »Sie vergrößerten die Firma in einem unglaublichen Tempo. Für diese Expansion brauchten Sie Geld. Sie bekamen es von den Banken und hinterlegten als Sicherheit für die Kredite Aktien.«
»Mit Wissen und Zustimmung der anderen Eigentümer«, stellt Bertram erregt fest. »Jeder, auch ich, hat dafür dreizehneindrittel an die Banken abgetreten.«
»Richtig. Aber Sie waren in der Lage, dank des Geschäftsgangs, die Kredite ungewöhnlich früh zurückzuzahlen. Im Gegenzug haben Sie Aktien, die Ihnen nicht gehörten, also sechsundzwanzigzweidrittel, in Ihr Portefeuille genommen und jahrelang die Gewinnanteile in Ihre eigene Tasche gewirtschaftet, statt sie Ihrer Frau oder Ihren Kindern gutschreiben zu lassen. Diese Manipulation brachte Ihnen – neben anderen illegalen Tricks – so viel ein, daß Sie mit dem Erlös eine Tochterfirma, die Bertrag-München gründen konnten, die Ihnen allein gehört. Über Jahre hinweg haben Sie einen großen Teil der Unkosten für die Hauptfirma in Mainbach abgewickelt und Gewinne über die Tochterfirma vereinnahmt.«
Bertram sitzt am Schreibtisch, schüttelt den Kopf, fuchtelt mit den Fäusten, will etwas sagen, findet keine Worte.
»Ich bin Wirtschaftsspezialist«, fährt Fendrich mit frostiger Stimme fort, »kein Strafrechtler. Aber ein Staatsanwalt nennt solcherlei Vorgänge vermutlich Untreue, Unterschlagung, arglistige Täuschung, Betrug und was weiß ich –«
»Sie sind ja verrückt«, versetzt der Betriebsführer. »Als Aufsichtsratsvorsitzender waren Ihnen meine Transaktionen doch bekannt. Warum kommen Sie mir damit erst jetzt?«
»Ich hätte sie längst verhindert, Herr Bertram«, entgegnet der Mann mit dem Silberhaar, »wenn Ihre Frau mich nicht gezwungen hätte, es zu unterlassen.«
»Um mich in eine Falle zu locken.«
»Nehmen Sie an, was Sie wollen«, versetzt der Jurist verächtlich. »Jedenfalls sitzen Sie in der Falle.«
Auch wenn Bertram nicht verkatert wäre, könnte er dem unerwarteten Angriff nicht wirkungsvoll begegnen. Sein Gesicht verfällt, wirkt auf einmal alt und grau. Er sucht den Blick seiner Frau. »Kann ich dich allein sprechen, Mathilde?«
»Nein, Gustav. Die Zeit der Privatgespräche ist vorbei«, antwortet sie. Das stille, bescheidene Beiboot hat sich abgehängt und die Führung des aufgetakelten Dreimastschoners übernommen; künftig wird ihr Mann in ihrem Windschatten durch das Leben segeln.
»Du willst mich also vernichten?«
»Meine Mandantin ist an einem Skandal nicht interessiert«, fährt Dr. Fendrich anstelle von Mathilde Bertram fort. »Unter Umständen könnten wir uns ohne Strafanzeige einigen. Das sähe dann soaus: Sie übertragen unverzüglich alle unrechtmäßig erworbenen Anteile und den Gewinn aus ihnen auf Frau Bertram und Ihre Kinder –«
»Und wo soll ich die Mittel hernehmen?« unterbricht ihn der Unternehmer. »Jetzt, wo die letzte Mark in der Firma steckt?«
»Ihr Problem«, erwidert der Jurist hart, doch noch immer höflich. »Aber wir sind Ihnen bei der Lösung behilflich, wir sind bereit, das Geld in Form von Aktien zu akzeptieren.« Nach einer Kunstpause fährt er fort: »Ich habe das überschlagen: Neunzig Prozent gehen an Ihre Frau und die Kinder, zehn Prozent, vielleicht etwas weniger, würden Ihnen verbleiben.«
»Und Sie meinen, daß ich mich auf eine solche
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