Heldenstellung
sichtlich zusammen.
»Frederick, herzlich willkommen«, sagt sie, ohne mir in die Augen zu sehen.
»Sie müssen nicht lügen«, entgegne ich.
»Danke«, sagt sie mit einem Lächeln und schnuppert. »Irgendwas stinkt hier.« Ich trete einen Schritt zurück und deute auf Satan. Der setzt seinen Moppel-Flirt-Blick auf und hebt die Pfote. Jessica schüttelt den Kopf. »Ist er Kettenraucher und Alkoholiker?«
»Ja, eigentlich will er gerade aufhören, aber Sie wissen ja, wie schwer das ist«, sage ich und trete noch einen Schritt zurück außer Geruchsweite. »Früher gehörte er Ozzy Osbourne, aber der wollte ihm wahrscheinlich den Kopf abbeißen. Er trinkt, um zu vergessen.«
»Du bist aber ein niedlicher Kerl«, meint Jessica und krault den Mops hinter dem Halsband. »Wie heißt du denn?«
»Satan«, antworte ich.
»Das ist so ein schöner Name«, entgegnet sie. Ihr Blick fällt auf die Nietenleine. »Und eine schöne Leine hast du da«, sagt sie mit etwas kehliger Stimme.
»Danke«, murmle ich. Wie die meisten außergewöhnlich hübschen Frauen hat Jessica offenbar eine Vollmeise. Das macht sie nur noch attraktiver.
»Trifft sich gut, dass Sie den Kleinen mögen. Ich würde ihn nämlich gern kurz bei Ihnen lassen.«
Jessica schüttelt den Kopf.
»Darauf habe ich leider gar keine Lust.«
»Aber ich habe gleich eine Präsentation.«
»Da ist er sicher ganz brav«, sagt sie zuversichtlich.
Ich bin mir da nicht so sicher. Außerdem weiß ich immer noch nicht, wie ich Frau Merler-Beckscheid davon überzeugen soll, nicht die Firma zu wechseln.
Das Telefon klingelt, Jessica geht ran, sagt zweimal »ja«, einmal »sofort« und legt dann wieder auf.
»Herr von Schnaidt, Verzeihung, Ihr Vater . . .« Wieder hält sie inne. »Würde Sie gern baldmöglichst im Konferenzraum begrüßen.«
»Was hat er wirklich gesagt?«
Sie sieht mich gequält an.
»Ich soll Ihren nichtsnutzigen Hintern so schnell wie möglich herüberschaffen. Aber nur, wenn Sie vorzeigbar sind.«
Jessica kommt näher und schnuppert nun an mir.
»Verzeihung, aber möchten Sie sich vielleicht umziehen? Und duschen?«
Stumm nicke ich. Jessica bedeutet mir, ihr zu folgen. Auf dem Weg durch die Agentur telefoniert sie kurz, dreht sich um, misst mich mit den Augen ab und murmelt: »Ich schätze, eine 54« ins Telefon. »Er kriegt schon einen kleinen Bauch.« Sie legt mir eine Hand auf den Arm.
»Danke, dass ich bei Ihnen einfach ehrlich sein darf.«
Zwei Minuten später stehen wir in der Requisite, und eine ältere Frau hält mir zwei komplette Garnituren aus Anzug, Hemd und Krawatte hin – einen in Grau, den anderen in Dunkelgrau. Dazu bekomme ich eingeschweißte Unterwäsche und Socken.
»Es kommt manchmal vor, dass wir keine Zeit mehr haben zu packen«, erklärt Jessica.
»Oder gar nicht erst nachhause gehen«, murmelt die Garderobiere. Sie befeuchtet ihren Daumen mit Speichel und streckt ihn nach meinem Gesicht aus. Erschrocken weiche ich zurück. Sie hält inne und sieht mich erstaunt an. »Entschuldigen Sie«, sagt sie. »Keine Ahnung, was da gerade über mich gekommen ist. Irgendwie wecken Sie in mir Muttergefühle.« Ich ertappe mich dabei, wie ich heimlich nach einer dauerhaften Sitzmöglichkeit spähe.
»Wir nehmen den dunkelgrauen«, entscheidet Jessica, nimmt der Garderobenfrau den Anzug ab und hält ihn mir hin. Die Garderobiere deutet auf eine Umkleidekabine. Darin finde ich auch Deo, Parfum, Haargel, ein Waschbecken und eine Zahnbürste.
Um eine Minute vor neun bin ich ein neuer Mensch, zumindest sehe ich so aus.
Im Konferenzraum sitzen diesmal nur Frau Merler-Beckscheid, mein Vater und Adam. Sie starren mich unverwandt an, nur mein Vater erlaubt sich ein kurzes Kopfnicken. Adam sitzt da wie der wahnsinnige römische Kronprinz, der nur darauf wartet, dem schwächeren Gladiator den Daumen nach unten hinzustrecken. Frau Merler-Beckscheids Blick fällt auf den Mops, ihre Mimik gerät für den Bruchteil einer Sekunde aus der Fassung, aber sofort hat sie sich wieder im Griff.
»Wir sind nun nicht mehr auf First-Draft-Level«, stellt Adam fest und mustert mich kritisch. »Es wäre gut, wenn wir den Sack bald zumachen könnten.« Während dieses Satzes hat Frau Merler-Beckscheid schon wieder verstohlen in Richtung Satan geschielt. Der hat sich neben mich gesetzt, die Pfoten unter dem Hundeköpfchen übereinandergeschlagen und seufzt.
»Bevor wir beginnen, würde ich mich gern noch mal in aller Form bei Ihnen
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