Heldenstellung
entschuldigen«, erkläre ich und schaue Frau Merler-Beckscheid in die Augen. Die aber sehen den Mops an. Der merkt, dass sich jemand für ihn interessiert, und tappst zu ihr herüber. Bei Error zuhause bekommt er ja nicht so viele Frauen zu sehen.
»Na, wer bist du denn?«, fragt sie und streichelt ihm über den Kopf.
»Das ist Schnuckelchen«, antworte ich, »der Hund eines guten Freundes, der eben ins Krankenhaus musste.«
»Hoffentlich hat dein Herrchen kein Schlimmes Aua, du wonnewutziger kleiner Mopsipopsi«, säuselt Frau Merler-Beckscheid plötzlich eine Stimmlage höher.
»Ja, der kleine Mopsipopsi ist auch schon ganz traurig«, sage ich, ebenfalls nun eher im Tenor als im Bariton.
Adam mustert mich skeptisch.
»Eigentlich wollte ich mit dem Mopsipopsi noch Gassi gehen, aber leider habe ich das gerade nicht mehr geschafft, daher meine Verspätung.«
Satan, der das Wort »Gassi«, gehört hat, hebt nun die Metaller-Pfote und fixiert Frau Merler-Beckscheid so sehnsüchtig, dass selbst Adam ein »Ohhh« rausrutscht.
»Also hat das kleine Hundchen heute Morgen noch gar nicht sein Pippi gemacht?«, fragt die Pharmafrau mit Piepsstimme.
»Nein, sein Pippi hat er noch nicht . . .«, beginne ich, rudere aber schnell zurück, als ich merke, dass ich ins Overacting kippe. Schnell räuspern und normal weiter.
»Nein, wie gesagt, leider nicht. Ich habe noch an die Präsentation gedacht und es nicht geschafft. Sie wissen ja, wie das bei uns Beratern ist.« Frau Merler-Beckscheid blickt Satan an, der daraufhin ein kurzes Winseln von sich gibt.
»Ihr Consultants!«, schnaubt sie abfällig, steht auf und streckt die Hand aus: »Die Leine, bitte.«
Ich gehorche.
»In fünfzehn Minuten bin ich wieder da. So viel Zeit muss sein.«
Dann wendet sie sich wieder Satan zu. »Und wir beide werden uns mal kurz die kleinen Mipsimopsibeinchen vertreten, einverstanden?« Sie kramt in ihrer Handtasche, steckt Satan etwas in den Mund und stolziert aus dem Konferenzraum, wobei sie weiterhin Zärtlichkeiten in Richtung Mops raunt. Ihr Strahlen lässt sich kaum verstecken.
Als die Tür hinter ihr zugefallen ist, klatscht mein Vater in die Hände. »Wo hast du denn gestern Abend noch einen Hund hergekriegt?«, will er wissen.
»Ich habe improvisiert.«
»Perfekt«, meint er. »Die Herausforderung war nicht der Case, sondern der Client. SWAT-Analyse?«
Ich schüttle den Kopf: »Zufall. Was wollt ihr der Frau denn eigentlich verkaufen?«, frage ich Adam. Der klappt sein Notebook auf.
»Es geht um ein natürliches Medikament gegen Neurodermitis, N-Dermisant plus, eine Alternative zu den gängigen Kortisonprodukten auf dem Markt. Das Hauptproblem: Aus den bisher gemachten Versuchen und Studien lässt sich nicht eindeutig ableiten, dass das Mittel in hundert Prozent aller Fälle wirksam ist. Deshalb weigert sich die Arzneimittelbehörde bisher, es zuzulassen. Vermutlich hat auch die Konkurrenz, die natürlich ihre eigenen Kortisonpräparate an den Mann bringen will, ihre Finger im Spiel. Ich habe der Kundin gestern empfohlen, die Kommissionen anhand von Gegengutachten und Zuwendungen zu überzeugen und das Medikament trotzdem zu lancieren. Aber Frau Merler-Beckscheid wollte sich darauf nicht einlassen.«
»Na ja, kann man ihr auch nicht übelnehmen«, erwidere ich. »Vielleicht hat die Frau ja auch so was wie ein Gewissen.«
»Hast du vielleicht einen besseren Vorschlag?«, fragt Adam sarkastisch.
»In Amerika kann man alle Arten von Medikamenten im Supermarkt kaufen. Warum geht das eigentlich nicht in Deutschland?«
Mein Vater und Adam wechseln Blicke. Ausnahmsweise keine abschätzigen. Ehe ich mich versehe, rasen Adams Finger über die Tastatur, und zehn Minuten später hat er eine PowerPoint-Präsentation fertig, die vorschlägt, das Medikament nicht als Arzneimittel, sondern als Kosmetikprodukt anmelden zu lassen – was immer noch schwierig ist, aber längst nicht so viele Wirkungsstudien voraussetzt.
»Du hast fünf Minuten, die Präsentation auswendig zu lernen«, meint Adam. »Ich gehe in der Zeit mal Kaffee holen.«
Fünf Minuten? Kein Problem für einen Schauspieler.
Als Frau Merler-Beckscheid mit Satan zurückkommt, ist sie so gut drauf, dass es ein Kinderspiel ist, den Job einzutüten. Deutlich länger dauert es, sie von Errors Mops loszueisen. Ich muss ihr versprechen, den Hund zu jedem Folgemeeting mitzubringen.
»Und natürlich freut sich Schnuckelchen ein Loch in seinen kleinen Mopsbauch, wenn Sie
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