Heldenstellung
wie jemand, der häufig genug Taxi fährt, als dass er das beurteilen könnte«, kontere ich.
Das Lächeln des Studienrats bleibt unerschütterlich. »Welche Unternehmen haben Sie denn schon saniert?«
»Ein Pharmaunternehmen«, sage ich und beiße mir auf die Zunge. Was geht den Kerl mein Leben an? Und wieso erzähle ich es ihm überhaupt?
»Ein Pharmaunternehmen? Ein Unternehmensberater, der ein Pharmaunternehmen saniert hat? Moralisch gesehen geht es kaum noch schlimmer. Tue nie etwas gegen dein Herz, denn damit zerstörst du dich selbst, hat Osho gesagt.« Ob der auch etwas Kluges über Besserwisserei gesagt hat? Alles in mir schreit danach, dem Kerl zu widersprechen. Aber erstens muss ich ja nicht jedem meine Meinung aufdrücken und zweitens habe ich das Gefühl, dass mein Fahrgast sowieso das letzte Wort haben würde.
»Sie wirken so aufgebracht, trinken Sie mal weniger Kaffee«, empfiehlt er. Ich nicke stumm und lege im Rückspiegel meinen Finger an die Lippen.
»Haben Sie Rückenschmerzen?«, fragt er jetzt. »Sie sitzen so krumm.«
»Ich sitze überhaupt nicht krumm!«
»Doch, ziehen Sie mal den Beckenboden nach oben und den Unterbauch zu den Nieren!«
Den Beckenboden? So was habe ich gar nicht. Trotzdem befolge ich seine Anweisungen, und tatsächlich sitze ich auf einmal viel aufrechter. Fühlt sich gut an.
»Hören Sie«, beginne ich. »Ich hatte einen harten Tag . . .«
»Sie hatten einen harten Tag? Da sollten Sie mich mal fragen«, murmelt er. »Warum verstehen die Menschen nicht, dass es im Leben nicht immer bloß um sie geht? Wenn du das Ego überwindest, wirst du zum Geschenk für die Welt, hat Amma gesagt.«
Es reicht.
Ich trete auf die Bremse und bleibe am Straßenrand stehen. Dann springe ich aus dem Auto, laufe zur Beifahrerseite und reiße die Tür auf.
»Raus!«
Sein Hundeblick wirkt bei mir nicht. Ich habe schon einen Hund. Der hat jetzt die Vorderbeine auf den Sitz gestellt und knurrt wütend. Allerdings scheint das Knurren nicht mehr dem Studienrat zu gelten, sondern mir. Jetzt springt dieses Mistvieh auch noch auf den Sitz und macht es sich bei meinem ungebetenen Gast auf dem Schoß bequem, während ich neben der offenen Tür im Regen stehe. Der Mann sieht mich verlegen an, hebt dann aber Satan vom Schoß und zieht den Reißverschluss seiner Jacke wieder zu. Dann steigt er aus dem Auto.
»Das kommt alles zurück«, sagt er.
»Kann sein, ich jedenfalls nicht«, entgegne ich sauer und steige auf der Fahrerseite wieder ein.
Diesmal trete ich genauso hart aufs Gas, wie ich vorhin gebremst habe, und fahre mit quietschenden Reifen los. Ein Blick in den Rückspiegel: Da steht er, mitten auf der Straße, und wird kleiner, je weiter ich mich von ihm entferne.
Als ich bei Error zuhause ankomme, hat es aufgehört zu regnen. Ich nehme die Leine vom Beifahrersitz, steige aus und öffne die hintere Tür, um den offenbar beleidigten Satan von der Rückbank zu holen. Die ganze Fahrt über hat er nicht einen Mucks von sich gegeben, was ich sehr zu schätzen wusste. Jetzt sehe ich auch, warum:
Da ist kein Satan mehr im Auto.
Extraordinary Acquisition
Ich bin zehn Minuten zu spät. Kein Wunder, die ganze Nacht über habe ich die Infomappen meines Vaters erst getrocknet, dann gebügelt und zu guter Letzt auswendig gelernt. Viel ist nicht hängen geblieben, denn in meinem Kopf kreisen alle Gedanken um Satan. Was, wenn er von Dognappern entführt wurde und nun als Testobjekt für Enthaarungscremes herhalten muss? Oder von liebestollen Fledermäusen attackiert wurde, die ihn im Dunklen für ein fülliges Weibchen mit perfekter Nase hielten?
Vor lauter Sorge habe ich mitten in der Nacht die Notfall-Hotlines der städtischen Tierheime und Hundefänger angerufen – vergebens. Niemand hat den Mops gesehen oder Lust verspürt, ihn zu suchen. Es ist, als hätte sich die Erde aufgetan und Satan verschluckt. Klingt wie der Refrain eines Dark-Metal-Songs, ist aber bittere Realität. Ich schreib mir den Satz trotzdem mal kurz auf, falls es mit der Karriere als Unternehmensberater nicht klappt.
Eben habe ich Error angerufen und ihm erzählt, dass ein Praktikant aus der Agentur seinen Hund für ein Projekt geliehen hat, in dem Möpse eine Schlüsselrolle spielen – unter anderem auch eine gewisse Möpsin, in die sich Satan wohl auf den ersten Hundeblick verliebt habe. Error meinte, dann wolle er dem Glück nicht im Weg stehen, schließlich könne er ja wegen seines Rückenleidens ohnehin nicht
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