Heldenstellung
Minuten lang seinen Lebenslauf angehört habe, wünsche ich mir, der schweigsame Ben würde neben mir sitzen und mich böse anstarren. Stattdessen stellt Thomas meine Lieblingsfrage:
»Wie ist Herr von Schnaidt denn so privat?«
»Keine Ahnung, ich habe ihn nie privat erlebt«, entgegne ich.
Jessica, die zwei Plätze weiter sitzt, horcht auf. Schon verstanden, ich soll nicht nur den Berater spielen, sondern auch noch den glücklichen Sohn.
»Niemand kann so gut mit Menschen umgehen wie er«, antworte ich. Sie dreht sich zu mir um und schenkt mir ein Lächeln. Danach vertiefe ich mich in ein Buch, das jemand in der Lounge vergessen hat: »Folienkrieg und Bullshitbingo. Handbuch für Unternehmensberater, Opfer und Angehörige.«
Eineinhalb Stunden später halten vier Limousinen, die uns direkt am Rollfeld abgeholt haben, vor dem Schweizer Chalet. Es ist eher ein Prunkschloss, in dem sogar aufpolierte Ritterrüstungen stehen. Diensteifrige Pagen halten uns die Türen auf. Als mir der Chauffeur meinen Trolley in die Hand drückt, sagt er augenzwinkernd: »Wenn ihr heute Party machen wollt, lasst es mich wissen«, und drückt mir seine Visitenkarte mit einer nicht jugendfreien Buskarikatur darauf in die Hand, die gut in eine Erwachsenenversion von »Cars« passen würde. Ich nehme die Karte an mich, für alle Fälle.
Jessica checkt uns ein, während wir Rosé-Champagner trinken, und übergibt schließlich jedem Zimmerschlüssel und Namensschildchen. »Macht euch frisch. Wir treffen uns hier in genau zwanzig Minuten.« Dabei schaut sie mich mahnend an.
Diesmal komme ich tatsächlich pünktlich – wenn auch wieder als Letzter. Jessica führt uns bis zu einem großen Konferenzraum. »Hier findet ihr eure Paten. Sie begleiten euch durch diesen Workshop, werden euch aber auch prüfen, um herauszufinden, ob ihr die Richtigen für Caesar & Horn seid. Aber in erster Linie geht es ums Kennenlernen. Nach dem Hauptevent finden zwei Workshops statt: Zahlen und Fakten sowie Businessetikette . Ihr könnt euch einen aussuchen. Nach dem Galadinner steht euch der Abend zur freien Verfügung. Morgen findet nur ein Workshop statt: Work, Life & Balance , den leite ich. Den Rest des Tages können wir relaxen, und Sonntag geht es dann wieder zurück.«
»Und wie sollen wir unsere Paten finden?«
»Sie werden euch finden«, stellt Jessica fest.
»Okay, Winners, let’s win«, verkündet Greg, klatscht in die Hände und geht voraus.
Ich fühle mich nicht gleich angesprochen und folge als Letzter.
Der Raum sieht aus, als würde hier ein Werbespot für eine riesige Singleparty gedreht: Etwa achtzig bis hundert junge Leute tummeln sich in dem Saal, gemeinsam mit vielen älteren Consultants. Die meisten sind ins Gespräch vertieft, manche lachen oder schauen interessiert. Nach kürzester Zeit entdecke ich unseren Frauenhelden Greg mit dem Cowboy, den ich am Geburtstag meines Vaters getroffen habe. Er grüßt mich mit einem Kopfnicken. Jay steht mit einigen südländisch aussehenden Consultants zusammen, die auf sein Handy starren. Die beiden Frauen sind mittlerweile von einer ganzen Riege Männer umgeben.
»Ganz allein?«, höre ich eine Stimme hinter mir, so kalt wie das Ewige Eis in Sibirien. Ich drehe mich um: Da steht Adam. In der Hand hält er ein Klemmbrett mit Unterlagen. Ganz oben klemmt ein Foto von mir.
»Was machst du denn hier?«, will ich wissen.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen. Das hier ist nicht die Berlinale: kein Roter Teppich, keine Schauspieler, nur echte Berater.«
Der Typ bringt mich auf die Palme. Aber ich muss auf dem Boden bleiben, sonst verdreht er mir wieder den Arm.
»Was ist eigentlich dein Problem?«, will ich wissen. »Passt es dir nicht, dass ich da bin? Nehme ich dir den Vaterersatz weg?«
Adam hält meinen Blick, seine Lippen bleiben aber in einem Lächeln fixiert.
»Nein. Ich will nur sichergehen, dass sich hier kein gescheiterter Filmheini reinpresst, weil er zufällig der Sohn vom Boss ist.«
Ich atme tief durch und versuche, mich zu beruhigen. Adam deutet auf zwei Sessel.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, frage ich unwirsch.
»Ich glaube eher, dass ich dir helfen kann. Schließlich bin ich dein Mentor.«
»Das kann nicht sein.«
»Wieso nicht?« In Adams Augen lese ich nur ehrliche Verwunderung. »Dein Vater hat mich persönlich gebeten, deine Patenschaft zu übernehmen.«
Warum hat man mir nicht einen afrikanischen Diktator zugeteilt? Oder etwas ähnlich Handzahmes? Wenn
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