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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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stehen.
    »Den Wagen kannst du erst mal behalten«, sagte er. »Ich kriege meinen Führerschein frühestens in einem Jahr wieder – falls Flensburg bis dahin von der Nordsee verschluckt und das Verkehrsregister gelöscht wurde.« Trifft sich gut, denn auf dem Weg zum Flughafen habe ich noch eine Delle am Kotflügel entdeckt, die wahrscheinlich genau zur hohen Stirn des Studienrats passt.
    Deshalb habe ich den Wagen auf dem Weg zum Flughafen in der Agentur abgegeben. Ein Summa-cum-laude-Praktikant, der aussah wie Justin Bieber, hat sich förmlich darum gerissen, sich dieser »Herausforderung« zu stellen und die Karre in die Werkstatt zu fahren. Er hat sich richtig über »den Case« gefreut.
    In drei Tagen ist der Mercedes wieder in Ordnung, das war zumindest die Aufgabenstellung. Bis dahin hat der Mops hoffentlich auch den Weg nach Hause gefunden.
    Jetzt blicke ich erleichtert in die Zukunft, genauer gesagt auf Jessicas Informationen zu unserem Treffpunkt: »Terminal 2, Abflugbereich D, Ebene 2 (Non-Schengen), gegenüber dem Duty Free Shop, Gate D80.«
    Genau dort stehe ich jetzt. Allein. Und mittlerweile schon elf Minuten zu spät. Weit und breit sind keine Elitestreber zu sehen – auch keine Jessica. An der weißen Wand hängt ein unauffälliges Bronzeschild. Darauf steht »Senator Lounge«.
    Die Tür neben dem Schild ist fest verschlossen. Ich drücke die Klingel. Sekunden später öffnet eine Frau im Businesskostüm, grüßt höflich und schaut mich fragend an.
    »Senator?«
    »Nein, Berater.«
    Sie verdreht die Augen.
    »Haben Sie eine Senator-Karte?«
    Ich schüttle den Kopf, und sofort will die Frau die Tür wieder schließen. Aber ich stelle meinen Fuß in den Spalt.
    »Eine Frage, nur kurz. Hier sind nicht gerade so ein paar Superstreber vorbeigekommen, in schwarzen Anzügen mit Rollkoffern?«
    »Hier kommen den ganzen Tag so Leute wie Sie vorbei.«
    Ich sehe an mir herunter. Ohne groß drauf zu achten, habe ich mich wieder aus dem Kleiderschrank meines Vaters bedient. Sie deutet mit einem Kopfnicken hinter sich.
    »Die ganze Lounge ist voll von Geschäftsleuten. Aber ich darf Sie nur reinlassen, wenn Sie Senator-Status haben.«
    Schon klar.
    »Mein Name ist Frederick von Schnaidt, ich gehöre zu Schnaidt-Consulting, die haben heute einen . . .«
    ». . . Recruiting-Event, einen Moment, ich checke das kurz.« Wenig später öffnet sie mit einladender Geste die Tür und deutet in die Lounge. »Kommen Sie bitte herein, möchten Sie etwas trinken? Einen Espresso vielleicht?«
    »Nein danke, lieber keinen Kaffee.«
    Ich lasse meinen Blick über Ledersofas und dunkle Holztische schweifen, sehe Kellner, die mit Rührei, Müsli, Kaffee und Fruchtsäften zwischen den Tischen umhereilen. Die Leute lachen und scherzen, einige spielen Karten. Sieht eher aus wie die Lounge einer Seniorenresidenz für Millionäre als wie ein Wartebereich.
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden«, sagt eine junge Frau so freundlich wie in der Werbung. Genauso unwirklich erscheint mir die Szenerie hier auch. Auf dem Weg durch die Lounge kommt mir ein Geschäftsmann mit einem Badetuch entgegen.
    »Haben Sie hier auch einen Strand?«, frage ich meine Reiseführerin.
    Sie lächelt, als würde sie für ein Foto posieren. »Nein, der Herr geht bestimmt zu den Duschen oder in die Care-Facilities. Das Spa wird leider gerade modernisiert. Aber natürlich können Sie Ruhe- und Arbeitsräume, WLAN, Faxgeräte und Kopierer weiterhin nutzen.« Sie öffnet eine Tür.
    Jessica steht mit sechs jungen Leuten an einem kleinen Büfett. Vier junge Männer in schwarzen Anzügen, zwei Frauen in Nadelstreifenkostümen. Sie selbst trägt ein eng geschnittenes Businesskostüm und dazu High Heels, die die Grenzen des Anstands um mindestens fünf Zentimeter überschreiten. Die anderen Teilnehmerinnen haben nicht halb so viel Ausstrahlung. Eine sieht aus wie eine reiche Tochter, die andere eher bieder. Die sechs scheinen vertraut miteinander, kein Wunder, mein Vater meinte ja, dass sie bereits seit zwei Tagen getestet werden. Jetzt gießt Jessica ihnen Champagner ein.
    »Frederick, Sie sind viel zu spät. Klar, das ist ein Red-Eye-Flieger, aber bei uns gilt das Early-Bird-Prinzip.«
    »Ich hatte eine shitty night«, entgegne ich, erzähle von dem Unfall mit dem Bildungsreisenden und dichte noch einen Arztbesuch heute früh hinzu, samt attestiertem Schleudertrauma. Jessica sieht mich an wie einen Grundschüler, der für das Entschuldigungsschreiben die

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