Heldenstellung
du mir erklärst, warum du mich so komisch ansiehst.« Weil mir nichts bessere einfällt, erzähle ich von meinem gestrigen Unfall mit dem Studienrat.
»Schleudertraumata zeigen sich ja manchmal erst Tage später«, meint sie besorgt.
»Worum geht es denn in deinem Seminar morgen?«, will ich wissen.
»Um Yoga«, sagt Jessica und grinst. Ich grinse noch breiter, denn ich mag Frauen mit Humor.
Nach dem Dessert verabschieden sich die Consultants. Kaum sind die Alphatiere verschwunden, lacht Frauenschwarm Greg wieder viel zu laut und bedeutet dem Kellner, ihm nachzuschenken. Jay wirft die Hummerzange weg, nimmt eine Wasserflasche und haut sie auf eine Hummerschere, dass die Schale zerbricht.
»Work hard, party hard«, ruft er. Es klingt wie ein Aufruf zur Polonaise auf dem Karneval. Als müsste er sich nicht nur auf dem geschäftlichen Parkett beweisen, sondern nun auch demonstrieren, dass er ein lässiger Typ ist, der jederzeit Party machen kann. Wie zum Beweis legt Greg jetzt den Arm um Money und Nanni. Jay fotografiert die beiden. Wahrscheinlich für den Abschnitt »Soft Skills« in Gregs Bewerbungsmappe. Der Typ sieht tatsächlich auf allen Bildern genau gleich aus.
In den nächsten zehn Minuten ziehen sich die Anwärter die Jacketts aus, lockern ihre Krawatten und schenken sich nach. Es ist, als wollten sie so schnell wie möglich ihre Spießigkeit unter den Tisch trinken.
Eine halbe Flasche Champagner später klingelt mein Handy. Georgious Papadopulos ist dran. Ich gebe seine vier Worte genauso in die Runde weiter: »Der Partybus ist da!«
Sofort holt Thomas den Zettel mit dem Workshopprogramm heraus und fährt mit dem Finger die einzelnen Tagesordnungspunkte ab. Als er am Ende der Excel-Tabelle keinen »Partybus« findet, dreht er hektisch das Blatt um und sieht mich fragend an.
Auch Jessica ist überrascht: »Das war so nicht geplant.«
Ich grinse. »Dann ändern wir halt mal den Plan. Es muss doch nicht immer alles im Voraus berechnet sein.«
Simultan ziehen Thomas, Ben, Greg und die Frauen die Augenbrauen hoch. Die anderen Teilnehmer sehen fragend zu Jessica herüber. Die schüttelt den Kopf.
»Das geht nicht. Schon aus versicherungstechnischen Gründen.«
Thomas meldet sich zu Wort. »Also, genau genommen ginge das aus versicherungstechnischen Gründen schon.«
Im Eingang steht jetzt ein Grieche, wahrscheinlich Georgious Papadopulos. Er trägt eine schwarze Chauffeursuniform.
»Woher kennst du den?«, fragt mich Jessica. Ich zucke mit den Schultern. »Euch kenne ich ja auch noch nicht richtig«, sage ich und stehe auf. »Aber eine Party ist eine ganz gute Gelegenheit, sich kennenzulernen.«
Jay nimmt seine Serviette vom Schoß, faltet sie zusammen und geht als Erster in Richtung Ausgang. Ben, Thomas, Greg und die beiden Frauen sehen mich fragend an.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee . . .«, beginnt Greg und schaut unschlüssig zu den beiden Frauen. Money steht auf und zieht ihn an der Krawatte zum Chauffeur, der nach draußen zum Bus deutet. Nanni schüttelt den Kopf und starrt vor sich auf den Tisch. Nach und nach steht etwa die Hälfte der Anwärter auf. Thomas bleibt sitzen. Er winkt mich heran.
»Du bist der Sohn vom Chef, du musst ein Vorbild sein«, flüstert er.
»Das bin ich doch«, entgegne ich, stehe auf und gehe in Richtung Ausgang. »Ach, was soll’s«, höre ich erst Thomas’ Stimme hinter mir und dann das Echo seiner Schritte. Jay kommt noch einmal zurück, nimmt Ben an die Hand und zieht ihn hinter sich her. Ben protestiert noch, aber Jay redet auf ihn ein, bis er schließlich nachgibt. Als Letztes steigt Jessica in den Partybus.
»Wenn das dein Vater erfährt«, sagt sie.
»Muss er ja nicht«, erwidere ich. Als alle eingestiegen sind, fragt mich Georgious Papadopulos zwinkernd, ob ich »sonst noch irgendetwas« brauche. Ich schüttle den Kopf. Er schließt die Türen und fährt los.
Im Bus läuft laute Elektro-Musik. Kaum sind wir losgefahren, geht eine Kühlbox mit Wodka und Energy-Drinks herum. Als der Bus eine halbe Stunde später vor einem Club hält, muss ich mich beim Aufstehen kurz an Jessica festhalten, um nicht zu wanken. Vor uns liegt tatsächlich ein roter Teppich. Zwei Türsteher drängen eine Schlange mit Gästen beiseite und öffnen die Flügeltüren des Clubs. Ein tolles Gefühl. Ich sehe Thomas und Ben an. Sie grinsen. Greg hat seinen Arm um Money gelegt. Jay redet auf Ben ein, der keine Miene verzieht. Schließlich drückt er ihm etwas
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