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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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den Mund und lässt sein blökendes Lachen durch den Pavillon dröhnen, so dass die Berater, von denen nun immer mehr durch den Park laufen, zu uns herübersehen. Der Recruiting-Programmteil ist zu Ende.
    Die beiden Seminare beginnen erst am Nachmittag. Wir beschließen, zu viert in Business-Etikette zu gehen, weil niemand Lust auf Zahlen und Fakten hat – am allerwenigsten ich.
    »Wird heute Abend eigentlich gefeiert?«, fragt Jay. Thomas und Ben schauen sich ratlos an. »Also, eigentlich sollten wir besser für morgen fit sein«, meint Thomas.
    Ich ziehe die Visitenkarte des Chauffeurs aus der Tasche und gebe sie Jay. Der muss grinsen, als er den Bus sieht. Darunter steht: Xzess-Entertainment , Georgious Papadopulos. Jay nickt.
    Aber zuerst wollen wir das beste Spa Europas testen. Während sich die drei anderen für die Biosauna entscheiden, setze ich mich ins Türkische Bad, schwitze ein wenig, entspanne und genieße zum ersten Mal seit Langem das Nichtstun. Von Adam fehlt jede Spur. Wahrscheinlich hat er russische Knast-Tattoos am ganzen Körper, die ihn seinen guten Ruf kosten würden.
    Zwei Saunagänge später begegne ich beim Teeholen Thomas, Ben und Jay. Die drei stehen mit knallroten Augen vor der Obstschale und stopfen Physalis, Kiwis, Ananas und Weintrauben in sich hinein, als wären sie gerade erst aus der DDR geflohen.
    »Du solltest diese Kakis probieren«, schwärmt Jay. »Die sind fast so gut wie bei uns.«
    »In Wuppertal«, murmelt Ben mit vollem Mund und nimmt sich noch ein Stück Mango. »Jay kommt nämlich überhaupt nicht aus Indien.« Jay hält den Finger vor den Mund und erzählt mir, dass er viel bessere Chancen als Berater hat, wenn er den Exotenbonus ausspielt. »Wenn ich denen sage, dass mein Vater auch schon in Deutschland geboren ist, kann ich ja gar nichts Besonderes mehr vorweisen.«
    Ich freue mich fast darauf, den Nachmittag gemeinsam mit diesen Knallchargen zu verbringen, die mir seltsamerweise gerade ans Herz wachsen. Außerdem fängt das Seminar Business-Etikette in einer halben Stunde an. Wahrscheinlich lernt man dort, wie man einen Laserpointer anständig hält, sein Notebook geräuschlos zuklappt und auf Lederabsätzen geht, ohne dass es klackert.
    Weit gefehlt.
    Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich in einem Seminar sitze. Doch diesmal macht es mir richtig Spaß. Der Dozent ist ein ehemaliger Partner von Caesar & Horn, der sich nach einem Burn-out auf die Dozententätigkeit spezialisiert hat. Wahrscheinlich war der Job als Paperboy schon vergeben. Von ihm lernen wir, wie man sich als Consultant angemessen anzieht (keine braunen Anzüge), wie man korrekt Hummer isst (mit der Zange) und wie man sich bei der Begrüßung verhält, wenn eine Frau und der Konzernchef einem gleichzeitig die Hand entgegenstrecken und die Frau nicht der Chef ist (zuerst den Konzernchef begrüßen). Dann üben wir Situationen, in denen der Kunde ausfallend wird (weil ja niemand Unternehmensberater mag), und machen eine Art Familienaufstellung, um die Funktion eines Beraterteams aus Sicht des Kunden zu verstehen. Die zwei Stunden vergehen wie im Flug. Zum Abendessen gibt es tatsächlich Hummer.
    Abgesehen vom Zangenspaß und den köstlichsten Gerichten, die ich je gegessen habe, scheint das Abendessen die Fortsetzung des ersten Castings zu sein.
    Immer wieder kommen höherrangige Angestellte auf uns Anwärter zu und versuchen, uns nach Schwachstellen auszuhorchen. Auch Tex legt es darauf an, mich aus der Reserve zu locken, und stellt mir tatsächlich die Frage nach dem Seil um die Erde. Ich antworte: »16 cm. Da passt eine Maus aufrecht durch.«
    »Und wie bist du darauf gekommen?«
    »Ich habe es ausgerechnet.«
    »Ach, ja«, seufzt Jay. »Die alte Formel für den Kreisumfang, eine der beliebtesten Fragen bei Recruitings: Der Umfang ist gleich zwei mal pi mal der Radius, daraus ergibt sich, der neue Umfang ist gleich U plus ein neuer Radius von Umfang mal zwei pi . . .«
    »Ist ja gut«, winkt Tex ab.
    »Genau«, sage ich. »Die Formel kennt doch jeder!«
    Tex schüttelt den Kopf und deutet auf Jay: »Den solltest du dir warmhalten.« Dann entschuldigt er sich.
    Adam ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Jessica, die neben mir sitzt, meint, er sei von meinem Vater zurück in die Agentur beordert worden, es gehe wohl um einen wichtigen Kunden aus Osteuropa. Mir soll es recht sein.
    Beim zweiten Glas Champagner biete ich Jessica das Du an. Sie ist einverstanden, »aber nur, wenn

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