Heldenstellung
aus Indien, handgerollt. So etwas kriegt ihr legal gar nicht. Illegal auch nicht. Außerdem hat die heiße Schwarzhaarige gesagt, wir sollen uns nach den Interviews entspannen.«
»Okay, ich begleite euch«, beschließt Thomas und seufzt fatalistisch. »Einer muss ja aufpassen, dass ihr keinen Mist baut, wenn ihr hier auf Droge rumlauft. Das fällt ja am Ende alles auf mich zurück.«
Im labyrinthartigen Schlossgarten finden wir wenig später einen kleinen Pavillon. Darin hockt Ben, der Techniker. Seinen Kopf hat er in die Hände gestützt. Wir setzen uns neben ihn.
»Was ist denn passiert?«, fragt Thomas mit überraschend liebevoller Stimme und streichelt ihm über den Rücken. Ben stößt die Hand weg und sieht hoch. Seine Augen sind rot verheult.
»Wie haltet ihr das hier nur aus? Immer will einer den anderen reinlegen, immer weiß jemand alles besser, alles ist optimierbar, und wir sind bloß Newbees, die in drei Jahren verheizt sind.«
Wieder streichelt ihm Thomas über den Rücken, diesmal lässt Ben es zu. Jay zündet einen Joint an und hält ihn Ben hin. Der schaut kurz überrascht, nickt dann aber und zieht. Er hustet, kriegt sich schnell wieder ein und sieht mich an: »Weißt du: Ich brauche diesen Job. Meine Tochter hätte gern ein zweistöckiges Kinderbett, das aussieht wie ein Dornröschenturm, und meine Frau will ein Haus mit Garten in Westend. Davon konnten wir bisher nur träumen. Aber ein Job als Berater würde alle unsere Probleme lösen.«
»Das ist doch super«, sagt Thomas, während ich den Joint nehme.
Ben sieht ihn an. »Nein, das ist nicht super. Denn ich bin kein Unternehmensberater.« Thomas und Jay nicken. Ben fährt fort: »Wenn es um Technik geht, kann ich dir alles zusammenbasteln, was du brauchst, aber ich kann dir nichts verkaufen.« Jetzt deutet er auf mich. »Was gäbe ich dafür, wenn ich so wäre wie du. Kannst du mir nicht eben die wichtigsten Sachen beibringen? Du bist der Sohn vom besten Consultant des Landes.«
»Er ist der zweitbeste Consultant«, korrigiere ich und sehe hilfesuchend zu Jay und Thomas hinüber.
»Also, in Kürze ist das gar nicht so einfach«, beginne ich. Jay hat die Augen geschlossen und lehnt mit dem Kopf an der Steinwand des Pavillons. Ich versuche krampfhaft, mich daran zu erinnern, was ich gelernt habe. Mir fällt nichts ein. Ich deute entschuldigend auf den Joint.
»Thomas, kannst du das Briefing bitte übernehmen?«
Mein junger Kollege sieht mich argwöhnisch an. »Also, eigentlich gibt es nur vier wichtige Regeln«, beginnt er. »Erstens: Du musst immer das Zepter in der Hand behalten. Das macht dich begehrenswert. Die Leute wissen eh nicht genau, was du da eigentlich hinter deinem Laptop machst. Wichtig ist nur: Du bist der Experte.«
Gut zu wissen.
Jay grinst, nickt und zieht noch mal am Joint.
»Und wenn ich nicht der Experte bin?«, fragt Ben.
Jay öffnet ein Auge: »Dann musst du schnell der Experte werden.«
Thomas nickt.
»Oder ein guter Schauspieler«, ergänze ich.
»Zweitens: Der Kunde ist dein bester Freund, pass dich ihm an. Er bezahlt dich, gibt dir Folgeaufträge. Auch wenn du Lösungen für sein Problem schnell erkennst, bringe ihn dazu, mit dir zusammen auf ein Ergebnis zu kommen. So hat er das Gefühl, selbst am Erfolg beteiligt zu sein.«
»Und was ist die dritte Regel?«, frage ich interessiert.
»Die Beratersprache besteht zur einen Hälfte aus ›simple bad English‹. Zur anderen aus Euphemismen. Im Gespräch mit dem Kunden wird grundsätzlich alles positiv dargestellt. Sonst auch. Wenn du nicht weiterweißt, sagst du einfach irgendeine Redewendung auf Englisch.« Ich schreibe insgeheim mit.
»Meetingstruktur hast du aus dem Businessclub eh drauf, oder?«, fragt Jay.
Ben nickt. »Für alles andere bekommst du Trainings. Kannst du PowerPoint?«
»Natürlich«, sagt er.
»Siehst du«, entgegne ich, mehr zu mir selbst als zu ihm. »Das hier ist gar nicht so schlimm.«
»Es gibt noch eine Regel«, mischt sich Jay ein und klopft die Asche vom Joint in die Rosenbüsche. Er sieht von einem zum anderen.
»Vertraue niemandem: In keiner Branche wird so viel an Stühlen gesägt wie bei den Unternehmensberatern.«
»Aber euch kann ich schon vertrauen, oder?«, fragt
Ben.
Ich nicke, Thomas auch.
Jay dagegen schüttelt den Kopf. »Mir eher nicht.«
Wir sehen ihn erschrocken an. Jay nimmt den Jointstummel aus dem Mund und hält ihn hoch. »Immerhin habe ich diesen Case hier ganz allein gefinished!« Er öffnet
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