Heldenstellung
Der Markenkern muss neu definiert und die Corporate Identity optimiert werden. Der Auftrag ist millionenschwer. Wenn ich den an Land ziehe, komme ich vielleicht mit einem blauen Auge davon. «
»Als Russe sollte Adam einen guten Draht zu Khamroff haben«, meine ich.
»Dachte ich auch.« Mein Vater sieht kurz nach unten, als stünde dort die Lösung seiner Probleme.
»Bisher hatte er das Projekt auch tatsächlich auf dem Tisch. Aber Khamroff springt nicht auf ihn an. Er hasst Unternehmensberater. Aber er liebt die Filmbranche: Los Angeles, Hollywood, Berlin. Er ist total vernarrt in Actionfilme, die ganze Superheldennummer.« Ein tiefer Blick. »Ich will, dass du den Fall übernimmst. Als Berater. Für Khamroff brauchen wir neuen Input, kreative Lösungen, unkonventionelle Denkansätze.«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst. Du hast gerade selbst gesagt, dass ich ein Versager bin. Schau dir meine Bewertungen an. Ich bin kein Berater.«
Mein Vater zuckt mit den Achseln. »Ich glaube, das Zeitalter der Berater geht zu Ende. Bei uns gab es immer Typen mit schauspielerischem Talent. Warum sollten wir es da nicht mal mit einem echten Schauspieler versuchen? Außerdem weiß ich nicht, wem ich hier in der Agentur noch trauen kann. Außer dir. Also, was sagst du?«
Ja, ich sage ja. Nicht nur, weil ich so vielleicht meine Schulden zurückzahlen kann, sondern weil die ganze Angelegenheit viel interessanter klingt, als Post auszutragen. Was ist schon dabei? Ich mache mich zum Affen, und das zur Abwechslung mal auf hohem Niveau. Schlimmer als beim Film kann es kaum werden.
»Eins noch«, sagt mein Vater. »Mit dem Rumgeeier ist jetzt Schluss. Ich will, dass du härter wirst, und ich weiß, dass du das kannst. Du musst über deine Grenzen hinausgehen, innovativer denken als Steve Jobs, rücksichtsloser als Mark Zuckerberg und härter sein als Angela Merkel. Ganz oder gar nicht. Consulting bedeutet Krieg. Willst du für mich in den Krieg ziehen?«
Mein Vater streckt die Hand aus.
Ich ergreife sie. »Wen soll ich umlegen?«
Er sieht mich ernst an: »Adam.«
»Haha«, lache ich vorsichtig. »Guter Witz. Aber jetzt mal im Ernst. Was erwartest du von mir?«
Ruckartig lässt mein Vater meine Hand wieder los, setzt sich hin und beginnt, wie ein Besessener auf seiner Tastatur herumzuhacken, als wäre ich gar nicht anwesend. Nach einer Minute ist er fertig.
Er drückt einen Knopf auf seinem Schreibtisch, sekundenschnell verdunkelt sich das Zimmer. Auf seinem Drehstuhl rollt mein Vater zur Seite, in der Hand einen Laserpointer, mit dem er Kringel an die weiße Wand malt, bis der Beamer dort ein Bild erscheinen lässt: Die Grafik sieht aus wie das Brandenburger Tor. Statt der Quadriga steht oben »Khamroff«. Die einzelnen Säulen repräsentieren je einen Unternehmensbereich, gekennzeichnet mit den Ziffern 1 – 4.
Die nächste Folie: ein Kinderbild von mir, ich muss darauf etwa fünf Jahre alt sein, trage ein knallrotes Lacoste-Polo-Shirt, einen Seitenscheitel und strecke am Strand von Ibiza der Kamera die Zunge heraus. Über dem Foto steht: »Du«.
»So weit, so klar?«, fragt mein Vater. Ich nicke.
Die nächste Folie.
Darauf prangt eine Krone, darüber ein Wort: Erfolg !!! Die Ausrufezeichen sind gefettet und unterstrichen.
Hinter mir räuspert sich jemand. Ich drehe mich um. Dort steht Jessica.
»Adam wartet draußen. Er will sich nicht abwimmeln lassen.« Sie sieht das Foto an der Wand und streckt den Daumen hoch: »Früher sahst du ja richtig gut aus!«
Ich erröte gegen meinen Willen. Mein Vater drückt eine Taste, das Bild verschwindet.
»Sehr gut, dann erzähle ich Adam gleich, dass du auf Khamroff bist. Oder willst du es dir noch mal überlegen?« Lieber nicht.
»Ich bin dabei«, sage ich entschlossen.
Dann betritt Adam den Raum.
»Ist das ein Inner-Circle-Meeting, oder darf ich teilnehmen?«, fragt er.
»Sehr gern«, entgegnet mein Vater. »Wir haben gerade von dir gesprochen.« Er drückt erneut einen Knopf, und die Jalousien lassen Tageslicht herein. Sein Gesichtsausdruck ist nun wieder emotionslos und geschäftsmäßig.
»Frederick wird das Projekt Khamroff übernehmen. Bitte mach ihm so schnell wie möglich eine Übergabe.«
Mein Widersacher verzieht keine Miene.
»Aber er ist kein Consultant«, sagt Adam ruhig. »Er tickt ganz anders als wir. Der gehört nicht zur Familie.«
»Also, genau genommen gehöre ich schon zur Familie«, wende ich ein.
Mein Vater bleibt ungerührt: »Er ist ein
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