Heldenstellung
Unterholz oder versucht verzweifelt, die sechsspurige Ringautobahn zu überqueren.
»Er ist viel an der frischen Luft«, sage ich.
»Im Gegensatz zu mir«, beschwert sich Error. »Seit meinem Bandscheibenvorfall komme ich überhaupt nicht mehr raus.«
Deshalb will er unbedingt heute Abend mit mir ein Bier trinken gehen. Aber das kann ich mir eigentlich gerade nicht erlauben – jedenfalls nicht, solange ich keine Idee für die Präsentation in zwei Wochen habe. Während Error noch in den Hörer jammert, kritzele ich mit Kugelschreiber auf der Schreibtischunterlage herum. Lenkt mich total vom Wesentlichen ab.
»Bist du noch dran?«, fragt Error. »Ich habe dir mein Auto geliehen. Du schuldest mir einen Gefallen.«
Er hat ja recht. »Ein Bier, mehr nicht.«
Ich lege auf und schaue auf die Unterlage. Dort steht »Jessica«, darum habe ich einen herzförmigen Fisch gezeichnet. Denn wir sind zum Mittagessen verabredet.
In einem kleinen japanischen Restaurant bestellen wir Sashimi aus dem Mittagsangebot für dreißig Euro pro Portion. Wir reden übers Wetter, über Politik, den hohen Lottojackpot, aber sie weicht meinem Blick aus.
»Es tut mir leid, wenn ich dir auf dem Recruiting-Event zu nahe gekommen bin«, sage ich frei von der Leber weg. Kurz sieht sie hoch.
»Nein, das ist es nicht.« Alles klar, sie ist die Assistentin meines Vaters, natürlich weiß sie, wie es um ihn steht. Und welche Rolle ich jetzt spiele.
»Glaubst du, ich schaffe es, Khamroff zu überzeugen?«, frage ich gerade heraus. Sie blickt auf und schaut mir in die Augen. Ihr Blick fährt direkt durch mich hindurch ins Herz und trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube.
»Nein. Oder ist dir schon etwas eingefallen?«
»Ich arbeite auf Hochtouren daran.«
»Vielleicht solltest du dich lieber entspannen«, meint Jessica und erzählt, dass ihr Yoga helfe, den Kopf wieder frei zu bekommen. »Du hattest doch so Lust darauf. Heute Abend um acht hättest du die Chance.« Sie schenkt mir einen Augenaufschlag.
»Da bin ich schon mit diesem Bekannten von mir zum Biertrinken verabredet.«
»Bring ihn doch einfach mit.«
»Ist das ein Date?«, frage ich lächelnd.
»Nein«, sagt sie ernst.
»Egal«, ich komme trotzdem – auch wenn es nicht leicht sein wird, Error vom Mitmachen zu überzeugen. Da scheint es mir einfacher, Hackl-Schorsch für ein Kamelrennen zu gewinnen.
Als Jessica kurz zur Toilette verschwindet, rufe ich Error an und erzähle ihm, dass ich einen Ort gefunden habe, an dem abends mehr Frauen als Männer sind, er sein Bewegungsdefizit ausgleichen kann und alles ganz entspannt abläuft. Ich kann den Argwohn in seiner Stimme durchs Handy hören.
»Du willst mit mir in den Puff? Auf keinen Fall!«
»Nein, ich will mit dir zum Yoga.«
»Dann lieber in den Puff!«
Erst als ich ihm verspreche, dass wir nach dem Yoga noch zu Wummes Metal-Eck gehen, ist mein alter Kumpel einverstanden. Ein Kellner bringt die Rechnung, Jessica hat ihm gesagt, dass ich zahle. Und schon ist der Wettgewinn aus dem Boxkampf gegen meinen Vater wieder dahin. Dafür bekomme ich ein Lächeln von Jessica, das sich anfühlt wie ein exotischer Nachtisch – oder ein Vorgeschmack auf das Date, das keines ist.
Als ich guter Dinge zurück in mein Büro gehe, warten dort Thomas, Jay und Ben. Mein neues Backoffice. Sie haben alle ihre Notebooks aufgeschlagen und hauen in die Tasten.
Wahrscheinlich spielen sie gegeneinander World of Warcraft. Oder zocken online an der Börse. Wenn ich ihnen die gute Nachricht überbringe, dass sie zum Einstand gleich den ersten Tag frei bekommen, werden sie mich als neuen Vorgesetzten lieben. Zwei Wochen sind ja auch noch eine Menge Zeit. Vielleicht rauchen wir erst mal einen Joint, zum Brainstorming. Und dazu hören wir dann Dire Straits: Money for nothing and chicks for free! Bei dem Gedanken grinse in die Runde.
Niemand grinst zurück. Sie scheinen nicht mal gemerkt zu haben, dass ich reingekommen bin. Ich räuspere mich.
»Jungs, willkommen in meinem Backoffice«, beginne ich meine Einstandsrede. »Ich habe gute Nachrichten: Euer erster Tag ist ein freier Tag. Packt eure Sachen, klappt die Computer wieder zusammen und amüsiert euch.«
Statt sich zu freuen, sehen Ben, Thomas und Jay mich nur erschrocken an. Thomas schluckt trocken. »Willst du uns rausschmeißen?«, fragt er. »Nachdem du uns gerade erst eingestellt hast?«
»Nein!«, rufe ich. »Ich dachte nur, wir lassen es heute mal etwas lockerer angehen. Wir
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