Heldenstellung
Kindergarten?«
»Mache ich nicht.«
»Doch.«
»Nein.«
»Doch.«
Plötzlich steht Jessica neben uns. Sie sieht müde aus.
»Was ist denn hier los?«
Sina und ich weichen zurück.
»Er torpediert den Unterricht«, sagt Sina. Jessica seufzt und sieht mich mit ihren schönen blauen Augen an. Sofort ist meine ganze Wut wie weggeblasen.
»Frederick, was ist denn los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht.«
»Keine Ahnung«, sage ich kleinlaut. »Ich hatte mich irgendwie auf Yoga mit dir gefreut.«
Die beiden Frauen sehen sich an und grinsen.
»Ich weiß, das ist kindisch«, fahre ich fort, da hat mir Jessica schon einen Kuss auf die Wange gedrückt.
»Nein, das ist süß«, sagt sie.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich für Yoga interessierst?«
»Nun ja«, druckse ich.
Sina schaut uns amüsiert an. »Er kann ja mal zu einer Probestunde zu uns ins Studio kommen«, sagt sie und lächelt mich fies-freundlich an.
»Dann setzen wir uns alle in den Kreis«, schlägt Sina vor, »zünden Räucherstäbchen an und klemmen zu Hippie-Musik die Beine hinter den Kopf!«
Jessica lacht. »Hör nicht auf sie. Wir üben nach den Richtlinien von B. K. S. Iyengar. Ohne esoterischen Firlefanz.«
»Umso besser!«, sage ich. Von mir aus können die auch nach den Richtlinien von Roberto Blanco üben.
Sina grinst mich an. »Vielleicht sollten Sie wirklich mal zur Probestunde kommen. Wenn man etwas gefunden hat, das einem so viel Spaß macht, dann muss man unbedingt dranbleiben.«
Jessica nickt mir aufmunternd zu. »Wir haben allerdings gemischte Umkleidekabinen – aber das ist bestimmt kein Problem für dich, oder?«
Ich winke ab: »Für mich gibt es keine Probleme – nur Herausforderungen.«
On board
Mein Vater läuft so nervös hinter seinem Schreibtisch auf und ab, als würde jeder seiner Schritte Strom erzeugen, mit dem er ein neues Unternehmen antreiben kann. Dabei fuchtelt er mit einem Stapel weißer Blätter herum.
»Das war ja zu erwarten«, schimpft er, bleibt stehen und knallt die Blätter auf den Schreibtisch. Er nimmt den Stapel wieder hoch und hält ihn mir demonstrativ vors Gesicht:
»Die schlechteste Bewertung von Tex, die schlechteste von Adam, einen Minuspunkt von der Yogalehrerin und einen Anstandspunkt von Jessica.« Er mustert mich. »Vielleicht glauben sie, dass deine Fehler auf mich zurückfallen. Du bist meine Achillesferse. Adam und Tex meinen ohnehin, ich werde langsam zu alt für den Job.« Während der letzten Worte hat er sich umgedreht und nervös die Hand zum Mund geführt. Kaut er neuerdings an den Fingernägeln?
»Frederick, ich habe ein Problem«, sagt er und dreht sich um.
»Kann gar nicht sein«, entgegne ich, verstumme aber sofort, als ich die Sorgenfalten auf seinem Gesicht sehe. Oje. Jessica hat ihm wahrscheinlich von der verwüsteten Schnapsbar und meinen Eskapaden während des Recruiting-Events erzählt. Dabei waren wir am Samstag wirklich ganz brav und sind am Sonntag ohne weitere Zwischenfälle abgereist.
»Es tut mir leid wegen der Ritterrüstungen. Und wegen der Bar. Und wegen allem, was sonst noch kaputtgegangen ist. Der gute Ruf und all das. Ich verstehe, dass du sauer bist . . .« Er stutzt kurz, mustert mich und macht eine wegwerfende Handbewegung.
»Keine Ahnung, wovon du redest.«
»Okay, ich habe aus Gewohnheit den Bademantel geklaut, aber bei dem Preis wird der ja wohl inbegriffen
sein!«
»Jetzt halt mal kurz die Luft an.« Er schließt die Augen und reibt sich die Nasenwurzel. »Du hast Tex kennengelernt?«
»Diesen freundlichen J. R.-Verschnitt, ja.«
»Freundlich?« Mein Vater schnaubt verächtlich. »Er will mich raushauen und einen Jüngeren an meine Stelle setzen.«
»Aber du bist gerade zum zweitbesten Berater des Landes gewählt worden.«
»Scheiß drauf. Der zweite Platz ist nicht gut genug, das weißt du selbst. Entweder bist du ganz oben oder draußen. Adam soll meinen Job kriegen.«
»Und wer entscheidet das?«
»Raschid Khamroff.«
Mein Vater erzählt, dass er gerade mit Khamroff, einem russischen Oligarchen, verhandelt, der mit Öl, Erdgas und Waffenverkäufen aus alten Armeebeständen ein Vermögen gemacht hat. Jetzt investiert er, kauft Muckibuden, Frauenfitness-Studios, Kampfsportschulen und Tanzstudios in ganz Europa, um sie in ein Sportimperium nach dem Vorbild einer gewissen österreichischen Aktivbrausenfirma zu verwandeln.
»Wie das konkret aussehen soll, wissen wir nicht. Und ich glaube, er weiß es ebenso wenig.
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