Heldenstellung
Klar, ich wollte nie in seine Fußstapfen treten, aber so eine Chance bekomme ich nie wieder. Und vielleicht hat er recht, und die Idee ist gar nicht so schlecht: Schon als Kind habe ich auf dem Klo Wirtschaftsmagazine gelesen, weil da eben nichts anderes lag. Irgendwann hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich die Tradition in Berlin nicht aufgegeben habe. Also reiße ich mich zusammen und nehme mir die erste Mappe. Als ich mich fünf Minuten später frustriert zurücklehne, entdecke ich im Türrahmen Adam.
»Was willst du denn hier?«, entfährt es mir.
»Ich bin dein Mentor. Außerdem soll ich dir eine Übergabe machen. Du hast dir meinen Kunden geschnappt.«
»Ich komme ganz gut zurecht«, entgegne ich. »Danke.«
Adam betritt den Raum, schiebt ein paar Akten beiseite und setzt sich auf meine Schreibtischkante.
»Ohne Hilfe schaffst du das nicht. Weißt du überhaupt, wie ein Consumer wieder mehr Goodwill für ein Label bekommen kann?«
»Indem man so mit ihm redet, dass er es versteht?«
Adam sieht mich an, als wäre ich ein seltenes Insekt, von dem er nicht weiß, ob er es erst ein bisschen quälen oder lieber gleich zertreten soll. Er entscheidet sich für Ersteres.
»Wir sind die zehn Prozent, die Besten jedes Jahrgangs. Die Elite.« Dabei breitet er die Hände aus, als könne er selbst einfach nichts daran ändern, dass er so gut ist. »Wer hier arbeitet hat die besten Zeugnisse, Empfehlungen von höchster Stelle und das härteste Recruiting überstanden, drei Prüfungsgespräche mit drei Wirtschaftsweisen. Kommt nur einer dieser drei zum Schluss, dass der Neue nicht zu den Besten zählt, ist er draußen.«
Ich gehöre wohl eher zu den Wirtschaftswaisen.
»Du hast zwei Wochen für eine geniale Idee. Das ist eine Menge Druck und sehr wenig Zeit. Und die Uhr tickt: tick, tack, tick, tack . . .«
Mist. Die Uhr habe ich schon wieder vergessen. Das Geschenk meines Vaters.
»Was willst du?«, frage ich Adam.
»Du schuldest mir einen Gefallen. Pack deine Sachen und verschwinde.«
Ich schüttle den Kopf: »Das geht nicht. Ich muss meinem Vater helfen.« Adam kommt ganz nah an mich heran. »Ich mache dich fertig«, zischt er. »Das hier ist meine Agentur!«
Oh Mann! Ich habe keine Lust auf solche Spielchen. Bin doch hier nicht im Kindergarten. Erpressungen muss man im Keim ersticken.
»Adam, es geht hier nicht um meine oder deine Agentur, sondern um den neuen Blickwinkel. Ich bin nicht dein Konkurrent. Ich mache hier ein Jahr lang meinen Job, und dann bin ich wieder weg.«
Das war vielleicht noch nicht hart genug.
Mein Gegenüber schnaubt dementsprechend verächtlich.
»Es wird kein Jahr dauern. Du wirst versagen. Und wenn du dann wie ein geprügelter Hund aus der Agentur schleichst, hast du nicht nur deinen Job verloren, sondern auch die Zukunft deines Vaters verspielt. Er wackelt schon, das wissen hier alle.«
»Ich habe jetzt ein Backoffice«, wende ich ein, weil mir nichts anderes einfällt, das zu meinen Gunsten spricht.
Adam grunzt abschätzig. »Hat doch jeder. Das kann ich dir mit einem Fingerschnippen wegnehmen. Wenn ich Lust habe, kann ich dich kaputtmachen. Und ich habe Lust.«
Das waren deutliche Worte. Um ihnen Nachdruck zu verleihen, tritt er meinen Papierkorb um. Allerdings ist der leer, nichts rollt dramatisch über den Boden. An sich eine gute Metapher.
Adam stürmt aus dem Büro.
»Und meine Übergabe?«, rufe ich ihm hinterher.
»Kriegst du, wenn du ein echter Consultant geworden bist!«
Ich brauche einen Plan. Was kann ich Khamroff verkaufen, das Adam ihm nicht längst vorgeschlagen hat? Ich klicke mich durch die Unternehmensserver, lande schließlich im Projekt »Khamroff«. Im Ordner finde ich Tabellen, Statistiken und Infografiken zur europäischen Sportlandschaft in den vergangenen drei Jahren. Mir sagen die Zahlen nichts. Adam hat recht: Ich brauche dringend Hilfe, sonst verpatze ich den Job.
Zwei Stunden später starre ich noch immer auf meinen Rechner und blättere ohne besondere Eingebung in den Unterlagen. Als Error anruft, bin ich mehr als dankbar über die Ablenkung. Bis er sagt:
»Ich will meinen Hund wiederhaben.«
»Unser Praktikant ist mit Satan in die Berge gefahren. Ich werde es ihm ausrichten, wenn er wieder da ist.«
»Du lügst mich aber nicht an, oder? Gibt es diesen Praktikanten auch wirklich? Wie heißt er?«
»Äh, Thomas. Aber mach dir keine Sorgen. Satan geht es gut.« Wahrscheinlich irrt er auf der Suche nach Käfern durchs
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