Heldenstellung
sind jung, arbeiten können wir auch, wenn wir alt sind.«
Jay schüttelt den Kopf. »Frederick, wir haben bald die erste Präsentation und noch keine einzige Idee. Wir müssen auch das Wochenende durcharbeiten.«
»NEIN!«, entgegne ich, lauter als ich vorhatte.
Ben und Thomas wechseln vielsagende Blicke.
»Ben, willst du nicht mal Zeit mit deiner Tochter verbringen?«
Er schüttelt den Kopf: »Sie ist mit meiner Frau zu meiner Schwiegermutter gefahren, damit ich hier ungestört arbeiten kann.«
Ich sehe Jay an. »Du hast doch bestimmt auch Familie!«
Er winkt ab. »Für so was habe ich keine Zeit. Ich habe einen Job. Die Nacht ist die Braut des Beraters.«
»Thomas?«, beginne ich.
Er seufzt. »Ich habe tatsächlich eine Freundin, aber die ist auch Beraterin. Unsere Devise lautet: Job comes first. Ausruhen können wir uns noch, wenn wir alt sind. Jetzt brauchen wir erst mal dringend eine Lösung im Case Khamroff.«
Er sieht mich an. »Also, Frederick, wenn du mir die Chance gibst, an diesem Projekt mitzuarbeiten, dann nutze ich sie.«
So ein Mist. Dabei wollte ich heute eigentlich zum Yoga.
»Also, ich habe um acht einen Außentermin. Ist echt wichtig . . .«, stammle ich.
Die drei wechseln vielsagende Blicke.
»Frederick, du kannst uns vertrauen«, sagt Jay. »Worum geht es?«
»Um Sport, muss da in einem Yogastudio für unser Projekt recherchieren.«
Die drei schauen mich weiterhin fragend an.
»Und um eine Frau«, ergänze ich.
Jay und Ben klatschen ab.
»Jessica?«, fragt Jay.
Ich schaue entrüstet. »Wie kommst du denn darauf?«
»War nicht zu übersehen.«
Was bringt das ewige Lügen? Ich nicke ertappt.
Thomas murmelt »Mist«, zückt sein Portemonnaie und drückt jedem der beiden Kollegen einen Fünfziger in die Hand.
»Okay, bis um acht sind es noch fünf Stunden«, sage ich. »Lasst sie uns nutzen.« Dann erzähle ich meinen neuen Mitarbeitern von Khamroff, seinem vielen Geld, dem Faible für Superhelden, und gebe den dreien gleich mal einen Überblick über die wichtigsten Filme, Comics und Figuren im Heldenkosmos.
Mein Vater hatte recht, die Arbeit ist tatsächlich kreativ – zumindest der Teil, den ich beitragen kann. Okay, die Idee vom »Superman-Pumping«, einem Training, das die Muskeln so definiert wie bei dem Comic-Helden, ist Quatsch. Auch die Idee eines Windtunnels, in dem man die Muskelgruppen trainiert, indem man so fliegt wie Superman, entpuppt sich eher als Marketing-Gag. Aber allmählich kriege ich den Bogen raus und überlege, wie man das Schauspieltraining in den Studioalltag umsetzen könnte oder das Training durch abenteuerähnliche Herausforderungen und Kampfbewegungen effektiver gestalten könnte. Jay und Thomas berechnen den Kosten-Nutzen-Faktor, Ben überlegt sich technische Umsetzungen. Im Nu sind fünf Stunden vergangen.
Eigentlich will ich jetzt gar nicht gehen, aber Jay schiebt mich aus der Tür. »Sport fördert die Leistungsfähigkeit. Lass dich inspirieren. Außerdem kommst du danach ja wieder ins Büro.«
Das hatte ich eigentlich nicht vor.
Jay sieht mich mahnend an: »Zumindest machen das alle anderen Berater so. Du kannst ja auf dem Rückweg ein paar Pizzen mitbringen. Aber frag nach Mengenrabatt!«
Moment of Truth
Der Umkleideraum von Hari-Yoga ist voller Frauen, die sich so selbstverständlich umziehen, als wären sie unter sich. Die Hälfte der Teilnehmerinnen ist zwanzig bis vierzig Jahre alt, die andere Hälfte deutlich darüber. Aber sie alle scheinen irgendwie alterslos glücklich. Viele sind braungebrannt, und alle tragen ein Lächeln im Gesicht wie Kinder im Spielzeugladen. Nur Jessica kann ich nirgends entdecken. Während ich mich aus den Klamotten schäle, höre ich Gespräche über vergangene Yogastunden, Seminare und die letzten Yoga-Talks mit. Eine Frau ist ganz begeistert von einer Pre-Yoga-Gesprächsrunde über »Achtsamkeit«: »Seit ich die Dinge bewusst erledige und nicht mehr von Termin zu Termin hetze, komme ich viel besser voran. Manchmal ist es effektiver, weniger zu arbeiten.«
Klingt fast wie ein Werbeslogan für Hartz IV. Na, da erzähle ich besser nicht, dass ich hier gerade nur eine abendliche Mittagspause einlege. Auch Error schaut eher skeptisch drein. Mein Kumpel trägt abgeschnittene Jeans und ein »Pick of Destiny«-Shirt, ich habe einen Jogginganzug dabei.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Jessica und nicke ihr zu. Ihr Outfit kann man eigentlich nicht »Yoga-Sachen« nennen: ein enges schwarzes
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