Heldenstellung
Jogging-Top und dazu schwarze Hotpants, die der Phantasie nicht mehr viel Spielraum in eine anständige Richtung lassen.
Ich dachte, Yogasachen wären irgendwie ökiger oder zumindest bequemer.
»Habe ich einen Fleck im Dekolleté?«, fragt Jessica. »Du starrst da so hin.«
Ich fühle die strafenden Blicke der Frauen und schaue nun sicherheitshalber an die Decke.
Error legt mir eine Hand auf den Bauch. »Na, was wächst denn da heran?«, fragt er kichernd. »Ein Alien? Oder trainierst du jetzt für eine Rolle als Sumo?« Gerade will ich ihn in die Brustwarze zwicken, da sehe ich Sina. Als sie mich erblickt, sacken ihre Mundwinkel nach unten. Sie kommt auf uns zu.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie wirklich kommen«, sagt sie. Auf ihrem T-Shirt ist Bin Laden im Lotussitz abgebildet. Darunter steht: »Asana for Osama«. Dazu trägt sie eine kurze Adidas-Shorts, so eine, wie Beckenbauer sie bei der WM ’74 getragen hat. Damals, als Fußballer noch keine Sonnengrüße machen mussten.
»Was interessiert Sie eigentlich am Yoga?«, fragt Sina.
»Jessica«, sage ich ehrlich.
»Ihre Freundin ist schon drin.«
»Meine Freundin?«, entfährt es mir. »Schön wär’s. Auch wenn ich eigentlich kein Mann für Freundinnen bin.«
»Ah, die typische Bindungsangst Anfang dreißig?«, fragt Sina spöttisch. »Oder schon eine Midlife-Crisis?«
»Nein, ich bin einfach gern Single«, entgegne ich genervt. Was geht die Frau mein Beziehungsstatus an? Wir sind hier nicht bei Facebook.
Error starrt Sina an, als wäre sie Megan Fox, die eben erzählt hat, dass sie beim Dreh ihrer Sexszenen immer nur an ihn denkt. Die Yogalehrerin streckt die Hand aus. Error ist wie ferngesteuert.
»Ich würde gern mit Ihnen auf die Matte«, murmelt er.
Der Arme. Offenbar ist er immer noch so schüchtern wie früher. In der Grundschule hat Error mal einer Mitschülerin, in die er wirklich verknallt war, einen ziemlich langen Liebesbrief geschrieben, in dem er sie unter anderem bat, sein »Kuscheltier« zu sein. Der Brief endete mit dem Satz: »Willst du mich heiraten?« und drei Kästchen zum Ankreuzen: »Ja«, »Nein« und »Vielleicht (eher schon)«. Error war schon damals kein Junge für halbe Sachen. Blöderweise hat seine Angebetete den Brief vor der ganzen Klasse vorgelesen. Das hat ihn nachhaltig traumatisiert. In Gegenwart von Frauen sagt er seitdem grundsätzlich das Falsche. Ja, das machen Männer generell so, aber bei Error ist es eben besonders schlimm. Deshalb haben ihn die Jungs auf dem Internat mit kindlicher Boshaftigkeit auch »Error« getauft.
Aber Sina lächelt nur über seinen Fauxpas, Error errötet und blickt nach unten, auf ihr Beckenbauer-Höschen.
»Ich bin hier wegen meiner Bandscheide«, brabbelt er. »Scheibe meine ich, die Bandscheibe. Da gab es einen Vorfall . . . aber das ist halb so wild – Probleme wie du und ich. « Er presst sich die Hand vor den Mund.
Interessant. Vielleicht kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ich komme Jessica näher, und er bekommt neben einer Menge Bewegung endlich auch mal eine Freundin. Wer weiß, vielleicht bändelt er ja tatsächlich mit Sina an. Die beiden würden gut zusammenpassen: Sie sind nicht die Hübschesten, recht eigenwillig, und der eine ist schon jetzt hoffnungslos in die andere verliebt. Außerdem habe ich noch nie jemanden verkuppelt. Wird höchste Zeit, das nachzuholen.
»Das ist mein Freund Error«, stelle ich ihn vor.
Sina schaut ihn fragend an. »Erol? Wie der Schauspieler?«
Ich will den Irrtum gerade richtigstellen, da tritt er mir auf den Fuß.
»So ähnlich«, erkläre ich. »Aber natürlich ist Error nicht so oberflächlich wie diese Schauspielertypen.«
Sina legt ihm fürsorglich die Hand auf den Arm. »Dann sind Sie hier beim Yoga genau richtig.«
Error wird noch ein bisschen röter. »Ach, und bitte einfach Du sagen.«
Sina nickt zufrieden. »Wir duzen uns hier sowieso alle.«
Sie sieht mich auffordernd an, aber ich mache eine abwehrende Geste.
»Ich finde das Sie ja ganz schön. Es ist ein Zeichen von Respekt.«
»Ganz wie Sie wollen.«
Es war eine bescheuerte Idee, hierherzukommen, höchste Zeit, sie über Bord zu werfen. Außerdem sollte ich bei meinem Team sein und an der Präsentation mitarbeiten. Was habe ich mir hierbei nur schon wieder gedacht? Ich öffne meine Sporttasche, werfe einen Blick hinein, wühle ein bisschen und schaue die Yogalehrerin traurig an. »Oje, ich habe mein Sportzeug vergessen.«
Das hat
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