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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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befreundeter Arzt, Bergsteiger und Yogi rammte sie ihr seinerzeit in den Oberschenkel und rettete ihr damit wahrscheinlich das Leben. Seitdem trägt sie ein Allergie-Notfallset mit sich herum: »Dein Körper schüttet bei einer allergischen Reaktion Histamine aus, dagegen wirkt das Antihistamin. Das Kortison bekämpft die Symptome, und das Adrenalin bringt dich wieder auf die Beine . . .«
    Während sie fachsimpelt, werde ich immer aufgeregter. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob es am Restcurry liegt oder am Adrenalin, das nun munter durch meine Adern schießt.
    »Wir könnten tanzen gehen«, sage ich, »oder joggen. Ich war schon ewig nicht mehr laufen«, sage ich, aber Sina drückt mich runter auf den warmen Fußboden.
    »Am besten, du legst dich gleich ins Bett. Ich habe gerade mit einem Notarzt telefoniert, der meinte, ich sollte dir mein Notfallset geben und dich dann beobachten.« Sie sieht mich aus ihren unglaublich grünen Augen an. Meine Hamsterbacken strahlen mit ihrem Lippenstift um die Wette.
    Ich küsse sie.
    Sina lässt es den Bruchteil einer Sekunde geschehen, ohne sich zu wehren, dann löst sie sich von mir und lässt sich wieder auf die Fliesen gleiten. Eine Weile liegen wir einfach nebeneinander. Dann flüstert Sina:
    »Das ist das Adrenalin, das bist nicht du.« Ich versuche noch mal, sie zu küssen, aber sie dreht den Kopf weg. »Jetzt komm erst mal auf die Beine und lass den Mist.«
    »Genau«, sagt die Stimme meines Vaters aus Richtung Tür. Vorsichtig stehe ich auf. Tatsächlich, da steht er. Seltsamerweise freue ich mich richtig, ihn zu sehen.
    »Wie schön, dass du da bist«, sage ich erstaunt. »Wie war dein Tag?«
    Auch Sina steht auf und zieht ihre Kleider zurecht, als wären wir gerade in flagranti erwischt worden. Irgendwie fühlt es sich auch so an.
    Ich rechne damit, dass mein Vater jetzt einen Mordsaufstand macht, weil ich fremde Frauen in sein Zimmer bringe. Dass er mich so richtig schön runterputzt, vielleicht noch meine Schulden erwähnt oder was weiß ich – am Ende wird mich Sina nicht mal mehr mit ihrem schönen runden Hintern ansehen.
    Stattdessen fragt mein Vater: »Willst du mir deine Freundin nicht vorstellen?«
    »Das ist Sina. Sie ist nicht meine Freundin . . .«, beginne ich, da ergänzt Sina:
    »Ich bin seine Yoga-Lehrerin.« Sie streckt eine Hand aus, aber mein Vater hält seine Rechte hinter dem Rücken versteckt. Er greift ihre Hand mit links, drückt sie kurz und lässt sie schnell wieder los. »Yoga? So mit Om und Räucherstäbchen und ›Wir-haben-uns-alle-lieb?‹«, fragt er.
    Sinas Gesichtsausdruck verhärtet sich. »Nein, wir haben uns nicht alle lieb.«
    »Sina hat mich auf die Ökostrom-Idee gebracht. Wir müssen nämlich mal raus aus dem Hamsterrad«, sage ich begeistert. An Sina gewandt fahre ich fort: »Mein Vater ist Unternehmensberater.«
    Sina nickt. »Ich weiß, wer dein Vater ist. Der zweit beste Berater des Landes. Ich habe den Artikel in Good Money gelesen.«
    Jetzt holt mein Vater die Hand, die er hinter dem Rücken versteckt hat, hervor. Darin hält er eine Flasche Champagner.
    »Ich wollte mit dir anstoßen. Du bist seit fast zwei Monaten bei uns – und machst dich gut.«
    Sina sieht von ihm zu mir. »Also, wenn ihr was zu feiern habt, können wir den Film auch gern ein anderes Mal ansehen . . .«
    »Gute Idee«, erwidert mein Vater.
    Sina schaut mich traurig an. »Dann gehe ich jetzt mal«, beschließt sie. »Ihr habt etwas zu feiern. Da braucht ihr mich Ökotante ja nicht.«
    Mein Vater tritt einen Schritt zu Seite, um Platz für sie zu machen. »Und tschüss«, sagt er. Ich stehe nur da und kann nicht glauben, was hier passiert.
    »Sie hat mir gerade das Leben gerettet!«, sage ich laut.
    »Sie hat versucht, dich zu vergiften. Kannst froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist.«
    Mit gesenktem Kopf schleicht Sina aus dem Badezimmer. Ich will ihr hinterhergehen, aber mein Vater hält mich fest. »Es ist besser so. Sie passt nicht zu uns.«
    Ich sehe ihn an. Er ist offenbar extra früher nach Hause gekommen, nur um mit mir anzustoßen. Das hier wäre der erste Vater-und-Sohn-Abend. Mein Vater lässt mich los und macht sich daran, die Champagnerflasche zu öffnen. Ich höre Sinas Schritte auf der Treppe. In dem Moment wird mir eines ganz klar: Ich wäre lieber mit Sina allein als mit meinem Vater.
    »Ich passe auch nicht zu euch«, sage ich und mache mich los und renne ihr hinterher. Dabei denke ich nicht mehr an Error oder

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